Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
der Neonlampen über der Bar. Duratek. Was konnten sie für ihn tun? Welche Veränderungen würden sie möglicherweise in sein Leben bringen? Er zögerte, dann öffnete er die Broschüre.
Ein neuer Schock durchfuhr ihn, als wäre sein Körper ein Draht geworden. Ihm präsentierte sich ein Mosaik aus strahlend hellen Bildern, die lachende Menschen und zu real wirkende Landschaften darstellten. Er schob die Hand erneut in die Tasche, diesmal nur tiefer. Er brachte den kleinen Papierfetzen zum Vorschein, den er vor Max Apartment gefunden hatte. Er mußte ihn nicht auf die Broschüre legen, um zu wissen, daß er paßte.
»Was tust du, Max?« flüsterte er. »Was tust du da?«
Travis faltete die Broschüre und den Fetzen zusammen, dachte kurz nach und nahm dann den Origami-Raben – niemand hatte ihn von seinem Platz auf der Theke genommen –, drückte ihn flach zusammen und schob ihn ebenfalls in die Broschüre. Er schob das Papierbündel in die Tasche, nahm die Schlüssel und ging zur Tür.
Hinterher konnte Travis nicht mehr mit Sicherheit sagen, was ihn hatte verharren lassen, als er den Schlüssel ins Schloß schob, was ihn den Türknopf drehen, die Eingangstür öffnen und in die Dunkelheit hinaustreten ließ. Manchmal zieht einen das Schicksal an. Manchmal auch die Gefahr.
Das onyxfarbene Fahrzeug verschmolz nahtlos mit der Nacht. Nur das kühle Leuchten des sich auf dem Glanzlack widerspiegelnden Sternenlichts verriet seine Anwesenheit. Travis konnte mühsam den fahlen Schwung einer Mondsichel ausmachen, die viel zu niedrig hing, um sich am Himmel befinden zu können.
Er trat an den Rand des Gehsteigs. Der dumpfe Schlag einer sich schließenden Autotür ertönte, dann das Knirschen von Schuhen auf Kies. Der Mann trat aus den Schatten in den Lichtkreis am Eingang des Saloons.
»Ich habe darauf gewartet, mit Ihnen sprechen zu können«, sagte der Mann.
Travis ergriff das Geländer des Gehsteigs. Er verspürte weniger Überraschung als vielmehr Entsetzen. »Wer sind Sie?«
Der Mann lächelte, aber es war ein verstohlener Ausdruck, so als wäre er allein für ihn selbst bestimmt. Er war klein und sah gut aus: blondes Haar und gestutzter Spitzbart, breite Schultern unter einem dunklen Seidenhemd, schmale Hüften in Jeans. Die Augen hinter der Nickelbrille, die Travis’ bis ins Detail ähnelte, waren blau.
»Welten voller Möglichkeiten«, sagte der Mann. »Ganz in ihrer Nähe.«
Travis schüttelte den Kopf. »Aber was soll das bedeuten? Was verkaufen Sie?«
»Alles. Haben Sie unsere Werbespots nicht gesehen?« Sein Lachen war großartig – leise und einladend. »Aber natürlich haben Sie das. Sie sind schwer zu übersehen. Was Menschen sich auch immer wünschen, was auch immer sie brauchen, wozu sie zuviel Angst haben, um auch nur davon zu träumen – wir verkaufen es.«
»Möglichkeiten«, murmelte Travis.
»Welten voller Möglichkeiten.« Der Mann verstummte. »Nun, was das angeht, wissen Sie ja über andere Welten Bescheid, nicht wahr, Mr. Wilder?«
Die Nacht war völlig still. Travis schwitzte. Was hatte er erwartet, daß der andere sagen würde?
Der Mann trat von seinem Fahrzeug weg und bewegte sich auf den Gehsteig zu. Die blauen Augen hinter der Nickelbrille blickten ernst.
»Wissen Sie, was das bedeutet, Mr. Wilder? Begreifen Sie die Implikationen Ihrer Entdeckung? Was es für diese Welt bedeutet, für uns alle hier bedeutet?«
Travis’ Mund war staubtrocken. Es war schwer, die Worte zu formen, und als er es tat, waren sie völlig inhaltsleer. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
Diesmal verwandelte sich das Lächeln in ein hämisches Grinsen. »Im Gegenteil, Sie wissen es besser als sonst jemand, Mr. Wilder. Sie haben selbst gesehen, was eine andere Welt zu bieten hat.«
»Was meinen Sie damit?«
Der Mann kam näher. »Sie verstehen es wirklich nicht, nicht wahr? Das ist eine Ironie. Sie waren da, aber Sie begreifen es nicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Betrachten Sie es einmal auf diese Weise. Was, glauben Sie, haben die Wikinger gedacht, als ihre Drachenschiffe an der kargen Küste Grönlands landeten? Was hat Christopher Columbus gedacht, als er erkannte, daß die vielen Inseln, die er fand, nicht einmal in der Nähe Indiens lagen? Was, glauben Sie, ging jenen Männern und Frauen durch den Kopf, die über den riesigen Ozean segelten, um sich in Jamestown niederzulassen?«
Travis konnte ihn bloß anstarren.
Der Mann breitete die Hände aus. »Eine neue Welt, Mr.
Weitere Kostenlose Bücher