Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm
sich wieder auf Travis. »In dem Augenblick, in dem ich ihn kennenlernte, wußte ich, daß ich zu den Suchern gehörte.«
»Also sucht ihr nach anderen Welten«, sagte Travis.
Es war Farr, der ihm antwortete. »Wie bereits gesagt suchen wir nach vielen Dingen. Aber um Ihre Frage zu beantworten, Mr. Wilder – ja, schon seit fünf Jahrhunderten suchen, katalogisieren und studieren die Sucher Hinweise, die die Existenz anderer Welten als der Erde beweisen.«
Deirdre lächelte trocken. »Es ist nicht so toll, wie es sich anhört. Nach meinem Beitritt wurde mir klar, daß die Sucher größtenteils damit beschäftigt sind, alte Dokumente zu studieren und Berichte in Computer einzugeben.«
»Aber indem Sie solch langweilige Arbeiten verrichteten, fanden Sie den Schlüssel zu einem Fall«, sagte Farr stirnrunzelnd, »der vor über einem Jahrhundert in eine Sackgasse führte.«
Deirdre nahm einen Ordner hoch. »Diese Akte betrifft einen Mann, der den Suchern als James Sarsin bekannt ist. Wir kennen seinen richtigen Namen nicht, da er viele hatte. Als die Sucher auf ihn aufmerksam wurden, nannte er sich allerdings gerade Sarsin. Damals war er Buchhändler in London. Das war so gegen Anfang der Herrschaftszeit von Königin Elisabeth.« Deirdre schaute von dem Ordner auf. »Die Rede ist hier natürlich von Königin Elisabeth der Ersten. Das alles trug sich zu im Jahre 1564, aber schon damals war offensichtlich, daß der Mann, der sich Morgan nannte, schon seit über zwei Jahrhunderten in und um London lebte.«
Travis schüttelte den Kopf. »Aber das ist …« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Unmöglich war ein bedeutungsloses Wort. Alles war möglich. Hatte er das nicht lernen müssen?
Deirdre nahm mehrere Seiten aus dem Ordner. »Das sind Kopien der Urkunden für Mr. Morgans Londoner Buchhandlung, die von 1532 bis 1851 datieren. Wenn du sie dir ansiehst, wird dir auffallen, daß der Besitzer des Queen’s Shelf alle fünfzig Jahre oder so starb und das Geschäft testamentarisch einer anderen Person hinterlassen wurde.«
Travis blätterte die Seiten durch. Wie immer fiel ihm das Lesen schwer, und die verschnörkelte Schrift machte die Aufgabe noch schwerer, aber seine Arbeit mit den Runen half ihm, sich zu konzentrieren. Er entzifferte die Unterschriften: Oliver Sarsin, Jacques Gris-Piere, Louis Gris-Piere. Er schaute auf. »Und was ist daran so ungewöhnlich?«
»Nicht viel – bis man sich das hier ansieht.« Deirdre zog ein weiteres Blatt aus dem Ordner. »Sämtliche Urkunden wurden im Zeitalter des Tintenfasses und der Schreibfeder verfaßt. Gelegentlich verschmierte der Unterzeichner das Dokument und hinterließ einen Fingerabdruck. Das hier ist ein Vergleich von Fingerabdrücken, die 1592, 1651 und 1799 unterschriebenen Urkunden abgenommen wurden.«
Travis war kein Experte auf diesem Gebiet, aber sogar er konnte sehen, daß die vergrößerten Teile der Abdrücke dieselben Muster aufwiesen. »Also willst du damit sagen, daß dieser Mann über drei Jahrhunderte in London lebte, gelegentlich angeblich starb und sich sein Geschäft selbst vererbte, damit seine Nachbarn nicht zu mißtrauisch wurden?«
Deirdres Augen funkelten. »Bei dir hört es sich so gewöhnlich an.«
»Die Sucher hatten den Verdacht, Mr. Sarsin könnte etwas Außerweltliches an sich haben«, sagte Farr. »Also haben wir ihn im Verlauf der Jahrhunderte beobachtet, in der Hoffnung, mehr zu erfahren.«
»Sind Sie nie auf die Idee gekommen, ihn einfach zu fragen?«
Farr stellte seinen Kaffee ab. »Es gab mehrere Versuche, sich Mr. Sarsin zu nähern. Er weigerte sich jedoch, mit den Suchern zu sprechen. Es war offensichtlich, daß er von uns und unserem Interesse wußte, und er dachte nicht daran, mit uns zu kooperieren. Kurz nach 1850 brannte das Queen’s Shelf nieder. Mr. Sarsin verschwand, und der Fall wurde geschlossen. Das heißt, bis Deirdre sich der Sache annahm.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Eigentlich war es Zufall. Ich archivierte alte Akten, scannte in London Beweismittel in den Computer ein. Darunter befand sich ein Brief – die letzte Information, die die Sucher über James Sarsin in ihren Besitz gebracht hatten. Er war an einen Bekannten in London adressiert, aber die Adresse des Absenders fehlte und damit jede Möglichkeit festzustellen, wo der Brief aufgegeben worden war.«
Deirdre suchte in dem Ordner herum, dann zog sie ein vergilbtes Blatt hervor. Sie las mit leiser Stimme vor.
»›Mein Freund, ich fürchte, ich
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