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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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in ihr Gehirn eingeritzt hätten sein können. Was sie in diesen ersten Minuten tat, würde alles Nachfolgende beeinflussen – ob der Patient lebte oder starb, ob er aufrecht gehen oder gelähmt sein würde, ob er er selbst war, wenn er aufwachte oder ein Schwerbehinderter mit einem Gehirnschaden.
    Grace befolgte die vorgeschriebenen Schritte. Sie stabilisierte seinen Kopf zwischen ihren Knien, legte ihn in den Nacken und zwang den Unterkiefer herunter. Sie schob einen Finger in seinen Mund, an seiner Pharynx vorbei in die Trachea, die Luftröhre. Kurz vor dem Kehlkopf stieß ihr Finger auf eine feuchte weiche Masse! Seine Atemwege wurden von einem Klumpen aus Blut und Schleim verstopft. Das war nicht gut – das bedeutete eine Verletzung der Lungen –, aber darüber konnte sie nicht nachdenken, nicht, bis es soweit war. Sie beseitigte den Klumpen und hörte das Krächzen, als Luft in ihn hineinströmte – er atmete wieder.
    Der nächste Schritt. Sie drückte das Ohr gegen seine Brust und lauschte. Rechts gab es keine Atemgeräusche. Ihr Verdacht war richtig; die rechte Lunge war durchstoßen worden und zusammengefallen. Sie brauchte eine Brustsonde, aber ihr fehlten die nötigen Werkzeuge. Im Schloß hätte sie vielleicht etwas improvisieren können, aber nicht hier draußen. Glücklicherweise waren die Atemgeräusche der linken Seite gut. Eine Lunge arbeitete. Das würde reichen müssen, bis sie ihn ins Schloß gebracht hatten.
    Grace wandte ihre Aufmerksamkeit der Quelle des Blutes zu. Der dritte Schritt: Atmen brachte nichts, wenn es in seinen Arterien kein Blut gab, um Sauerstoff zu transportieren. Sie mußte die Blutung stoppen. Jetzt.
    Sie zog das zerfetzte Wams zur Seite und untersuchte seine Brust. Er holte mühsam Luft, und aus einer Wunde sprudelte roter Schaum. Zwischen zwei Rippen trat Luft ein: Das war der Grund für die kollabierte Lunge. Die restlichen Wunden auf Brust und Magen schienen oberflächlicher Natur zu sein.
    »Gebt mir Eure Hand.« Sie schaute zu Durge auf, als er nicht reagierte. »Eure Hand!«
    Der Ritter blinzelte und streckte die Hand aus. Sie packte sie, nahm seinen Zeigefinger und steckte ihn in das Loch. Nicht unbedingt elegant, aber das Blubbern hörte auf.
    »Laßt den Finger da.«
    Grace wußte, daß ihre Stimme hart klang, aber das mußte so sein. Die anderen mußten ihre Befehle widerspruchslos befolgen. Durge nickte und hielt den Arm steif, damit er die Wunde verstopft halten konnte.
    Nun wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem rechten Arm zu. Seitdem sie den Patienten erreicht hatte, war kaum eine Minute verstrichen, aber der Instinkt hatte ihr gesagt, daß sie sich beeilen mußte, daß der Arm das Schlimmste sein würde. Zum Teufel mit ihrem Instinkt, daß er immer recht hatte.
    Aber vielleicht ist es ja gar kein Instinkt, Grace. Vielleicht ist es mehr als das. Erinnere dich an Ivalaines Worte. Was du in der Notaufnahme tatest, unterscheidet sich nicht sehr vom Wirken der Hexen …
    Es war jetzt keine Zeit für diesen Gedanken da. Sie konzentrierte sich auf den Patienten.
    Es war schlimm. Der Arm war völlig aus dem Schultergelenk gerissen worden. Sie konnte den weißen, wie eine Kugel geformten Teil des Humerus, des Oberarmknochens, sehen, und die umgebenden Muskeln waren in Fetzen gerissen. Der Arm wurde nur noch von einem dünnen Streifen Haut und Sehne mit der Schulter verbunden. Aus dem abgerissenen Ende der Schlüsselbeinarterie pumpte Blut und versickerte in dem Bett aus Piniennadeln, die den Boden bedeckten.
    »Schwester, seine Lippen sind blau«, sagte Lirith leise. »Und seine Fingernägel. Das habe ich schon bei Ertrunkenen gesehen, aber er atmet noch.«
    Er ertrinkt tatsächlich, wollte Grace sagen. Er ertrinkt in seinem eigenen Blut, und das bißchen Sauerstoff, das er mühsam aufnimmt, strömt aus seiner Schulter heraus und versickert in der Erde. Aber Grace hatte keine Zeit, einer mittelalterlichen Hexe die Folgen einer kollabierten Lunge zu erklären, oder die Bedeutung von Worten wie zyanotisch und Hypotension, was das anging. Sie nahm die durchtrennte Arterie zwischen zwei Finger und drückte sie zusammen.
    »Wir müssen die Blutung stoppen«, sagte sie. »Es ist der Blutverlust, der ihn blau werden läßt.«
    Lirith sah sie an. »Was soll ich tun, Schwester?«
    »Haltet das.«
    Sie führte Liriths Finger in die Wunde, bis die Hexe die zerstörte Arterie fest zusammenhielt. Grace beugte sich zurück und durchdachte ihre Möglichkeiten. Unter diesen

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