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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Untertreibung des Jahrhunderts, Schwester. Aber sie hatte Lirith in ihr Gemach gelassen und hinter ihr die Tür geschlossen.
    Doch trotz ihrer Bemühungen war es ihr seitdem nicht mehr gelungen, die Weltenkraft auch nur einmal zu berühren.
    »Schwester, Ihr müßt Euch konzentrieren«, flüsterte Lirith in diesen Augenblicken. Sie roch immer nach Zitronen und Nelken. »Befreit Euer Bewußtsein von der Furcht. Erlaubt Euch, mit den Gedanken zuzugreifen, das Leben um Euch zu fühlen, es näher an Euch heranzubringen.«
    Grace versuchte es, aber sobald sie die funkelnden Stränge der Magie erblickte, die sie umgaben, sah sie auch den Schatten, der im Herzen des Netzes lauerte, und sie wußte, daß, sollte sie ihrem eigenen Lebensfaden folgen, er sie direkt in den schwarzen Flecken führen würde. Dann zerriß ein Geräusch ihr Bewußtsein, ein Geräusch wie eine zuschlagende Tür; sie blinzelte, und die Weltenkraft verschwand.
    »Ich kann es nicht«, hatte sie schließlich am vergangenen Abend gesagt und war zitternd und nach Luft schnappend auf die Knie gesunken. »Ich kann es nicht mehr.«
    Lirith hatte sie gemustert und den Raum dann wortlos verlassen. Grace war davon überzeugt gewesen, daß die Hexe sie nun endgültig aufgegeben hatte. Aber am Morgen war sie wieder dagewesen. Und hatte ihr gesagt, sie solle jemanden im Garten treffen.
    »Hallo?« rief sie erneut.
    Das Wort hallte durch die lebendigen Wände aus Schlingpflanzen und Zweigen. Sie war durch einen weiteren Durchgang in ein kleines Areal gekommen, das von allen vier Seiten von hohen Hecken umgeben wurde. Hier war der Überfluß an Leben sogar noch größer als das, was sie bis jetzt gesehen hatte – ein dichter und prächtiger Farbenrausch, der hemmungslos wucherte.
    »Verschwinde!«
    Die schrille Stimme ließ Grace zusammenzucken. Wo war sie hergekommen? Sie drehte sich um. Auf der anderen Seite des Gartens bewegte sich ein Busch. Seine Zweige flatterten auf und ab, als wäre er wütend, Blätter regneten zu Boden.
    »Ich sagte, verschwinde!«
    Grace zögerte. Es war schwer zu sagen, was man tun sollte, wenn man von einem Busch angebrüllt wurde. Auf einem Bankett hatte sie einmal einen Haufen Kiefernzweige sich bewegen sehen und dann einen kleinen grünen Mann entdeckt, der sich zwischen ihnen verbarg. Das war letzten Winter gewesen, als das Kleine Volk durch die Räume Calaveres geschlichen war. Aber seit der Wintersonnenwende hatte man von ihnen keinen mehr erblickt. Befand sich wieder einer der Grünen Männer im Schloß?
    »Verschwinde!«
    Mit dem letzten Wort explodierte der Busch förmlich in einer Blätterwolke, und eine Gestalt stolperte hervor. Es war kein Grüner Mann.
    Sie war alt. Grace konnte aus der Erfahrung heraus gut schätzen, und sie schätzte das Alter der Frau auf achtzig Jahre, obwohl auch neunzig möglich gewesen wäre. Sie war dünn wie ein Ast, ging aber weder gekrümmt und litt auch nicht an altersbedingtem Knochenschwund. Ihre Haut hatte die weiche Durchsichtigkeit von Blumenblättern, darunter zeichneten sich die Adern ab. Sie trug ein einfaches graues Kleid, an dem Erde klebte; in ihrem dünnen weißen Haar hatten sich Blätter und Rinde verfangen.
    »Wußte ich doch, daß ich dich kriege«, sagte die Frau, und ihre blauen Augen über den schmutzigen Wangen funkelten.
    Endlich verstand Grace: Die Frau hatte gar nicht mit ihr gesprochen, sondern mit dem dornig aussehenden Unkraut, das sie in ihrer behandschuhten Hand hielt.
    Grace trat vor. »Hallo«, sagte sie erneut.
    Die Alte ließ das Unkraut fallen. Grace war peinlich berührt. Sie hätte wissen müssen, daß sie die andere mit ihrer unvermuteten Ansprache erschrecken würde. Die Alte sah sich mit jenem unscharfen Blick um, den ältere Personen manchmal haben, wenn sie ein Geräusch oder eine Stimme ausmachen wollen. Dann richteten sich ihre blauen Augen auf Grace, und ihre Miene hellte sich sofort auf.
    Die Alte lächelte. »Sieh mal an. Hier haben wir aber eine hübsche Blume, Schwestern.«
    Grace zuckte wieder zusammen. Als eine Blume hätte sie sich nun wirklich nicht bezeichnet. Und zu wem sprach die Frau? Sonst war niemand im Garten zu sehen.
    »Was ist mit Euch, Kindchen? Habt Ihr Eure Zunge gefunden, nur um sie sofort wieder zu verlieren?«
    Grace schüttelte den Kopf. Noch nie zuvor hatte sie jemand Kindchen genannt. Andererseits war es vermutlich besser, als mit Euer Durchlaucht angesprochen zu werden. »Ich soll jemanden hier treffen. Im Garten. Allerdings

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