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Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm

Titel: Die letzte Rune 03 - Der Runensteinturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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weiß ich nicht, wen … Habt Ihr …?«
    »Ob ich jemanden gesehen habe?« Die Alte schüttelte den Kopf. »Nein, Kindchen. Hier bin nur ich. Und natürlich meine Schwestern.«
    Das ließ Grace die Stirn runzeln. Die Alte hatte es schon wieder gesagt. Schwestern. Wen meinte sie nur? Aber vielleicht war sie ja auch nur senil.
    Sie versuchte es erneut. »Falls Euch jemand begegnet, der nach mir sucht, könntet Ihr ihm bitte sagen, daß ich da war?«
    Die Alte nickte. »Wie Ihr wollt, Kindchen. Aber Ihr könnt gern noch etwas bleiben. Wenn Ihr nicht wißt, wen Ihr treffen sollt oder wo Ihr ihn findet, ist es dann nicht möglich, daß Ihr ihn genausogut hier findet als woanders?«
    Eigentlich wollte Grace dem widersprechen, aber sie mußte zugeben, daß in den Worten der alten Frau eine gewisse Logik lag. Vielleicht konnte es ja nicht schaden, sich etwas auszuruhen, bevor sie ins Schloß zurückkehrte und Lirith Bescheid sagte, daß sie denjenigen, den sie treffen sollte, nicht gefunden hatte.
    »Ihr könnt Euch da hinsetzen, Kindchen.« Die Alte zeigte auf eine Marmorbank, die halb von Mohnblumen verdeckt wurde. »Laßt Euch nicht davon stören, daß ich weiterarbeite. Man darf nicht einen Augenblick lang in seiner Wachsamkeit nachlassen, oder die schurkische Distel schleicht sich ein und stiehlt allem das Leben.« Sie bückte sich, hob das widerspenstige Unkraut auf und warf es auf einen kleinen Haufen.
    Grace setzte sich auf die Bank. Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sitzen und sich auszuruhen, während die Alte arbeitete, aber sie würde keine große Hilfe sein. Sie würde vermutlich ohnehin jeder Pflanze schneller das Leben rauben, als es die schurkische Distel tat. Sie blickte auf ihre Hände herunter.
    Vielleicht bist du mit Menschen auch nicht viel besser, Grace.
    Aber das stimmte nicht. Das wußte sie genau. Ivalaine hatte recht. Heilen war Graces Gabe. Aber warum hatte sie dann nicht heilen können, als es am meisten darauf angekommen war? Warum hatte sie sich Garfs Lebensfaden durch die Finger schlüpfen lassen?
    »Stimmt was nicht, Kindchen?«
    Grace schaute auf. Die Alte musterte sie neugierig.
    »Nein. Mir geht es gut. Wirklich.« Sie suchte angestrengt nach Worten. »Ich bin Grace. Wie heißt Ihr?«
    »Mein Name ist Naida, aber die meisten nennen mich die Kräutermutter. Ihr könnt mich nennen, wie Ihr wollt.«
    Grace dachte darüber nach. »Ich werde Euch Naida nennen.«
    »Ganz wie Ihr wünscht, Kindchen.« Naida beugte sich aber eine Stofftasche, kramte darin herum und zog eine Xonflasche hervor. »Möchtet Ihr was trinken?«
    Der Tag wurde heiß. Grace nahm die Flasche entgegen und hob sie an die Lippen. Sie hatte angenommen, daß sie Wasser enthielte, aber tatsächlich war es kühler, erdiger Wein. Naida nahm die Flasche, trank und verstaute sie wieder in der Tasche. Wärme durchströmte Graces Körper, sowohl von der Sonne als auch vom Wein. Sie ließ zu, daß sich ihre Augen schlossen. Das hier war ein friedlicher Ort.
    »Meine arme Schwester«, sagte Naida mit leiser, trauriger Stimme. »Du bist so schön, wie du dort reglos sitzt, aber im Inneren stirbst du.«
    Grace riß die Augen auf. Sie kämpfte darum, die Worte zu verstehen. Wußte Naida, was passiert war? Aber woher? Sie hielt nach der Alten Ausschau und fand sie unter einem Baum stehen. Auf den ersten Blick schien es sich um so etwas Ähnliches wie eine Esche zu handeln, obwohl die Blätter goldene und nicht silberne Spitzen hatten.
    Grace stand auf und ging auf Naida zu. »Was habt Ihr damit gemeint?«
    Naida legte eine Hand auf die Baumrinde. »Ihr könnt es nicht sehen, Kindchen. Aber ich kann es fühlen, es ist wie eine Dunkelheit. Ich fürchte, sie verfault von innen heraus.«
    Der Baum. Sie sprach von dem Baum, nicht von Grace.
    Naida seufzte, dann wandte sie sich von dem Baum ab und breitete die Arme aus. »Wir müssen uns von unserer lieben Freundin verabschieden, Schwestern. Dieses Jahr wird ihr letztes sein.«
    Grace runzelte die Stirn. »Entschuldigt, aber Ihr sprecht ständig von Schwestern. Wen meint Ihr?«
    Ein Lächeln ließ Naidas Falten sich verziehen. »Ich spreche natürlich zu ihnen. Das sind alles meine Schwestern.«
    Endlich verstand Grace. Die Pflanzen im Garten – zu ihnen sprach Naida. Vielleicht war die alte Frau ja doch nicht mehr ganz richtig im Kopf. Aber nein, etwas an ihr kam Grace vertraut vor – eine bestimmte Ruhe, eine Kraft. Sie trat vor den Baum und legte die Hand auf den Stamm, dann

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