Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
Büste verweilte, und sie begriff.
Es ist Eitelkeit, Grace. Das ist das Problem bei hübschen Leuten – man muß ihnen ständig sagen, daß sie schön sind, weil sie nämlich sonst anfangen, daran zu zweifeln, zusammen mit allem anderen, was sie sind.
»Euer Hoheit, besteht Eure Gruppe nicht noch aus anderen Personen?« wandte sich Darrek an Aryn, als er sich wieder setzte.
»Die eine ist erschöpft von der langen Reise, Lord Regent«, erwiderte Aryn. »Sie ruht sich in unserem Gemach aus, und der andere leistet ihr Gesellschaft.« Wahrer Adel machte sich bezahlt – Grace bezweifelte, jemals so selbstsicher und herablassend klingen zu können.
Als sie die unerwartete Einladung zum Abendessen erhalten hatten, hatte Beltan um jeden Preis bei Melia bleiben wollen. Aber Travis hatte dem Ritter gesagt, er solle gehen und daß er bei Melia und Tira bleiben würde.
»Gibt es in dieser Gruppe noch einen Erwachsenen, der noch bei Bewußtsein und kein Adliger ist?« Travis hatte die Hand gehoben. »Was denn, das bin ja ich!«
Travis hatte sich durchgesetzt, und Beltan war zum Essen gegangen.
Darrek wandte sich erneut an Aryn. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, den Ritter an Eurer Seite kennenzulernen, Mylady. Ist das Euer Gemahl?«
»Nein, Mylord. Das ist mein Cousin. Lord Beltan von Calavan.«
»Ich verstehe.« Darrek musterte Beltan. »Irre ich mich, oder seid Ihr ein Krieger, Herr Ritter? Und ein Angehöriger von Vathris?«
Grace sah, wie an Beltans Kiefer die Muskeln zuckten. »Ich bin beides, Mylord.«
Darrek nahm das Weinglas und hielt es behutsam in den Fingern. »Wißt Ihr, ich könnte einen so tapferen Krieger wie Euch gut gebrauchen, Lord Beltan.« Er musterte Beltan von oben bis unten, und die Wangen des Ritters röteten sich.
Grace hatte beinahe gelacht und umklammerte statt dessen den Tischrand. Zumindest erkennt Darrek einen guten Mann, wenn er ihn sieht.
»Aber nun verratet mir, was euch alle nach Perridon geführt hat.«
Überrascht sah Grace, daß Darreks Blick wieder auf ihr ruhte. Sie suchte nach Worten. Etwas sagte ihr, daß es wirklich nicht klug sein würde, wenn sie ihm sagte, daß sie als Spionin gekommen war.
»König Boreas sind die Probleme in Perridon zu Ohren gekommen, Mylord«, erwiderte sie und war durchaus erfreut, daß ihr die Worte so schnell über die Lippen kamen. »Er hat mich geschickt, um Euch zu fragen, ob er irgendwelche Hilfe nach Spardis entsenden soll.«
Der Regent nickte. »Das ist sehr freundlich von Euren König, Mylady. Aber ich bin erst kürzlich von einer Rundreise durch die Domäne zurückgekehrt, und alles ist einwandfrei unter Kontrolle. Ihr dürft Eurem Lehnsherrn meinen Dank ausrichten, aber wir brauchen keine Hilfe.« Er strich sanft mit dem Finger über den goldenen Stoff seines Wamses. »Aber sagt mir, Mylady, ist das nicht das schönste goldene Tuch, das Ihr je gesehen habt?«
Grace starrte ihn an. Sie öffnete den Mund in dem Wissen, daß sie darauf etwas erwidern mußte, egal was.
Da sah sie aus dem Augenwinkel einen blutroten Blitz; sie drehte sich um, und eine kleine Gestalt stürmte auf sie zu. Sie öffnete die Arme gerade noch rechtzeitig genug, um das kleine Mädchen aufzufangen.
»Tira! Was tust du denn hier?«
Das Mädchen schaute mit ruhigem Blick zu ihr hoch.
»Was ist das … für ein Ding?« Der Regent war aufgesprungen, und er zeigte mit aschfahlem Gesicht auf Tira. Die anderen Gäste starrten das Mädchen mit offenstehenden Mündern an. »Schafft es sofort hier raus!«
Diener eilten herbei. Grace stand auf und stellte sich ihnen in den Weg. Natürlich – Kinder waren am Tisch des Lords nicht erlaubt. Und Tiras Gesicht war auf dieser Welt für die meisten Leute erschreckend.
»Vergebt uns, Mylord«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie sie herkommen konnte. Mit Eurer Erlaubnis ziehen wir uns sofort zurück.«
Sie warf Aryn und Beltan einen Blick zu. Die beiden waren bereits aufgestanden.
Der Regent setzte sich, seine Miene war wieder völlig beherrscht. »Nein, Ihr müßt mir vergeben, Mylady. Ich war nur überrascht, das ist alles. Auf der Reise kürzlich sah ich mehrere solcher Kinder. Bitte, geht, wenn es Euer Wunsch ist.«
»Danke, Mylord.«
Grace nahm Tira auf den Arm und eilte zusammen mit Aryn und Beltan aus dem Großen Saal.
»Was hatte das denn zu bedeuten?« fragte Beltan, als sich die Flügeltür hinter ihnen geschlossen hatte.
Aryn zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht, aber ich bin froh, dort weg zu sein.
Weitere Kostenlose Bücher