Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
durchschritt mit rauschender Kutte die kleine Zelle und nahm die Tafel. »Also, Bruder Larad, das ist doch gar nicht so … nun, es ist nicht …« Er seufzte. »Also ich Finde, er bessert sich.«
Travis sackte auf seinem Stuhl zusammen. Er hatte Oragien gewarnt, daß er nicht viele Runen kannte. Trotzdem hatte ihn der Großmeister Larad und Eriaun übergeben, damit sich die beiden ein Urteil über seine Fähigkeiten bilden konnten.
Larad verschränkte mit finsterer Miene die Arme. »Wie soll er uns dabei helfen, den Runenstein zu entziffern, wenn er nicht mal die einfachsten Runen lesen und schreiben kann?«
»Larad, er ist ein Runenmeister.«
»Das ist uns gesagt worden. Aber woher sollen wir wissen, ob es auch stimmt?«
»Er kann Runen sprechen, sie binden und brechen. Seit dem Verschwinden der Runenmeister hat es in Falengarth niemanden mehr gegeben, der über alle drei dieser Fähigkeiten gebot.« Eriaun breitete die dicken Hände aus. »Was auf Eldh müßt Ihr denn noch wissen, Larad?«
Dem Grunzen nach zu urteilen, das als Antwort ertönte, brauchte er noch etwas anderes, aber was das war, wollte er nicht sagen. Er sah Travis scharf an. »Der Abendchor beginnt in einer Stunde. Ich schlage vor, daß Ihr Euch bis dahin ausruht. Wir machen danach mit unserer Arbeit weiter.« Er drehte sich um und verließ den fensterlosen Raum.
Eriaun schenkte Travis einen verständnisvollen Blick. »Ihr müßt Bruder Larad vergeben. Er ist … das heißt …« Doch falls es einen Grund gab, Larad zu vergeben, brachte Eriaun ihn anscheinend nicht über die Lippen. Er lächelte hilflos, dann ging er zur Tür und ließ Travis allein.
Travis lehnte sich in den Stuhl zurück und massierte die schmerzenden Schläfen mit den Fingern. Seit nunmehr drei Tagen bedrängte Larad ihn, verlangte Antworten und durchforstete sein Gehirn nach Wissen.
»Sobald wir uns davon überzeugt haben, daß Ihr bereit seid, werdet Ihr uns helfen, den Runenstein zu entziffern«, hatte Oragien am Morgen von Travis’ zweitem Tag im Turm verkündet. »Zweifellos werdet Ihr in ihm etwas entdecken, das uns entgangen ist, irgendeine Macht, die uns hilft, gegen die Krondrim vorzugehen.«
Travis hätte beinahe gelacht – er bezweifelte, daß er jemals dafür bereit sein würde –, aber der Ernst in Oragiens blauen Augen hatte ihn dazu veranlaßt, sein Gelächter herunterzuschlucken.
Er schloß die schmerzenden Augen und dachte an die Geschichten zurück, die Falken ihm über die Runensteine erzählt hatte. Einst hatten die Runenmeister neun dieser Steine geschaffen, die den Schlüssel zu ihrem gesamten gesammelten Wissen enthielten. Die meisten waren vor sieben Jahrhunderten beim Fall von Malachor verlorengegangen. Und Travis wußte, daß ein weiterer unter dem Weißen Turm der Runenbinder begraben – und vermutlich zerschmettert – lag. Aber zumindest einen der Runensteine gab es noch immer, und zwar hier im Grauen Turm.
»Im Laufe der Jahrhunderte ist viel Wissen verlorengegangen«, hatte Oragien zu ihm gesagt. »Trotz unserer unablässigen Studien können wir nur einen Bruchteil von dem verstehen, was auf dem Runenstein eingemeißelt ist. Ihr, Bruder Wilder, werdet uns helfen, mehr zu erfahren.«
Travis seufzte und öffnete die Augen. Er wünschte, Falken und Melia wären hier. Bestimmt hätten sie viel besser als er verstanden, was hier eigentlich genau vor sich ging.
Aber sie sind nicht da, Travis. Du schon.
Er betrachtete seine rechte Hand. Er hatte sich an das ständige Kribbeln unter der Handfläche gewöhnt, aber es war noch immer da – das Symbol, das ihm Jack in jener schrecklichen Nacht unter dem Magician’s Attic irgendwie in sein Fleisch eingebrannt hatte.
Jakabar vom Grauen Stein war ein Runenmeister. Und Ihr seid es auch.
Oragiens Worte gingen ihm noch immer durch den Kopf. Selbst jetzt erfüllten sie ihn mit maßlosem Staunen. Aber hatte er sie nicht schon zuvor irgendwo gehört?
Du bist derjenige, der mich an diesen Ort gelockt hat. Du bist Jakabars Erbe!
Ja, das war das fehlende Stück des Puzzles. Der Mann, der in Castle City in seinem Saloon verbrannt war, hatte etwas mit Eldh zu tun gehabt – vielleicht war er sogar von Eldh gekommen. Das gleiche traf auch auf Jack Graystone zu. Jack, der ihm kurz vor seiner ersten Reise nach Eldh den Großen Stein Sinfathisar anvertraut hatte. Den Stein des Zwielichts.
Der Graue Stein, dachte Travis.
Falken hatte berichtet, wie die Imsari, die drei Großen Steine, vor
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