Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung
den Worten lauschte.
Tisra. Kael. Peltr.
»Das reicht, Bruder Wilder«, sagte jemand, aber es klang dumpf und wie aus weiter Ferne. Das Licht der Runen erfüllte ihn und sang in seinen Adern. Er spreizte die Finger und legte beide Hände auf den Runenstein.
Indar. Sefel. Ris.
Greller Lichtschein strömte aus dem Stein, als die Runen in Travis’ Bewußtsein erklangen, eine lauter als die andere.
Uthen. Halas. Lor.
Er trat zurück, aber die Runen ertönten noch immer in seinem Kopf. Sie klangen aber nicht länger wie Jacks Stimme, sondern wie ein ganzer Chor, der zu einer betäubenden Kakophonie anschwoll. Der Stein fing mitten in der Luft an zu rotieren, wurde immer schneller und schoß wild umherfliegende silberne Lichtsplitter in das Gemach. Travis hielt sich die Ohren zu, aber die Stimmen wurden nur noch lauter und drohten seinen Schädel platzen zu lassen.
LaynethKrindorAreshJevuWista …
»Dal!«
Diese Rune ertönte nicht in seinem Kopf, sondern wurde von einer lauten Stimme gebrüllt, die durch das Gemach donnerte. Die schnatternde Symphonie in Travis’ Bewußtsein verstummte abrupt, als wäre eine Tür zugefallen. Das Licht verblaßte zu völliger Dunkelheit, und der Runenstein hielt mit einem Ruck an und blieb bewegungslos schweben. Travis stolperte zurück; sein Körper war so spröde wie angebrochenes Glas. Er drehte sich um und fand sich mit einem wütenden Blick aus hell funkelnden Augen konfrontiert.
»Warum habt Ihr nicht aufgehört, als ich es Euch befahl, Bruder Wilder?« wollte Oragien in einem Tonfall wissen, der nun zwar leise, aber keineswegs weniger hart war.
Travis rang nach Worten. »Es tut mir leid. Es war … es war so …« Aber er hätte niemals erklären können, wie es sich anfühlte, von dem erhebenden Licht erfüllt zu werden. Es war, als wäre jede Möglichkeit der Welt wahr geworden.
»Mißachtet nie wieder einen meiner Befehle, Bruder Wilder.«
Travis brachte als Antwort nur ein ruckartiges Nicken zustande.
»Seht Ihr es nun ein, Großmeister?« fragte Larad. Sein narbiges Gesicht war emotionslos, aber in seinen schwarzen Augen funkelte ein selbstzufriedener Schimmer. »Das ist die Gefahr, vor der ich warnte. Das kommt davon, wenn man mit Dingen herumspielt, die wir nicht verstehen.«
Oragien packte den Stab so fest, daß die Knöchel weiß hervortraten, wirbelte herum und ging auf Larad zu. »Und was genau wissen wir, Bruder Larad? Wissen wir irgend etwas?«
Der Großmeister wartete nicht auf eine Antwort. Er drehte sich auf dem Absatz um und schritt aus dem Raum.
Bruder Eriaun blickte ihm besorgt hinterher, dann seufzte er und faltete die Hände. »Olrig wird uns führen.«
»Wird er das?« fragte Bruder Larad. Dann verließ auch er den Raum.
Travis verspürte eine tiefsitzende Übelkeit. Er packte sein rechtes Handgelenk und starrte die Hand an. Unter der Haut schimmerte kaum merklich die Rune der Runen.
Warum, Jack? Warum hast du mir das angetan?
Aber diesmal blieb die Stimme in seinem Kopf stumm.
8
Am nächsten Abend fand wieder kein Chor statt. Bruder Eriaun teilte Travis mit, der Grund dafür bestünde darin, daß viele Fragen zu bedenken und zu erforschen seien, bevor man sie auf die richtige Weise diskutieren könne. Aber Travis kannte den wahren Grund, warum Oragien die Zusammenkunft gestrichen hatte. Nach dem Zwischenfall mit dem Runenstein gab es im Turm mit Sicherheit viele Brüder, die Larads Meinung teilten – daß sie, indem sie Travis den Stein hatten berühren lassen, mit etwas Gefährlichem und Unbekanntem herumgespielt hatten. Würde der Chor zusammentreten, würden diese Stimmen vermutlich am lautesten sein und die Oberhand gewinnen. In dem Oragien den Chor ausfallen ließ, ging er dieser Meinungsverschiedenheit aus dem Weg, vielleicht sogar offener Rebellion.
Gegen Sonnenuntergang brachte Himmel ein Tablett mit einem leichten Abendessen in Travis’ Zelle.
»Danke«, sagte Travis. Da war Brot, weicher Käse und eine Schüssel mit einer Gemüse-und-Kräuter-Suppe.
Himmel lächelte und deutete eine Verneigung an. Keine Ursache.
Er drehte sich um, aber bevor er den Raum verlassen konnte, sprach Travis ihn an.
»Wenn man etwas tun kann, Himmel, bedeutet das, daß man es auch tun sollte?«
Dann stutzte er und fragte sich unwillkürlich, was ihn dazu veranlaßt hatte, dies zu sagen, und dann auch noch ausgerechnet zu Himmel. Vielleicht lag es einfach nur daran, daß der Stumme einen inneren Frieden ausstrahlte, um den Travis ihn
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