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Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung

Titel: Die letzte Rune 04 - Die Flammenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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beneidete.
    »Ich meine, selbst wenn man über eine … Macht verfügt mit der man etwas Bestimmtes tun kann, ist es dann richtig, sie nicht einzusetzen?«
    Himmel regte sich nicht, und Travis befürchtete, ihn beleidigt zu haben. Vielleicht hatte der junge Mann seine Worte auch nicht verstanden. Dann trat Himmel einen Schritt vor. Er berührte mit der einen Hand seinen Hals und mit der anderen seine Lippen, und seine Augen wurden ganz groß, als hätte ihn eine plötzliche Entdeckung überrascht. Er öffnete den Mund und streckte die Hände aus, als wären sie Vögel, die von ihm fortflatterten. Dann senkte er die Arme und sah Travis ernst an. Die Botschaft war klar: Hätte ich eine Stimme, würde ich singen.
    Travis’ Wangen röteten sich vor Scham. Aber so einfach ist das nicht, wollte er erwidern. Gesang kann andere Menschen nicht verletzen. Aber als er aufsah, war Himmel verschwunden.
    Als er mit dem Essen fertig war, drang Zwielicht durch das Fenster, vermengt mit einem silbrigen Schein, der dem ähnelte, der aus dem Runenstein gequollen war. Der Mond am Himmel war fast voll.
    Travis überkam Ruhelosigkeit. Es fand kein Chor statt, aber das bedeutete nicht, daß er in seiner Zelle bleiben mußte. Er ging durch die Tür auf die große Wendeltreppe. Aber bevor er sich für eine Richtung entschieden hatte, trugen ihn seine Füße schon nach oben. Zuerst passierte er Türen, hinter denen die Runensprecher lebten. Einige standen offen, und hier und da sah er Lichter oder hörte Unterhaltungsfetzen. Aus einer Tür drangen laute Worte.
    »… das ist unmöglich. Wir haben im Laufe der Jahrhunderte zuviel vergessen. Viel zuviel. Wir sollten nicht …«
    Travis eilte die Stufen hinauf und ließ die wütende Stimme hinter sich zurück.
    Im Turm wurde es wieder still. Er war an den Zellen vorbei, die noch von den Runensprechern benutzt wurden. Vor den Türen, an denen er jetzt vorbeikam, lag dicker Staub. Wie lange waren diese Türen wohl schon nicht mehr geöffnet worden? Jahre? Jahrzehnte? Vielleicht sogar länger.
    Vor einer dieser Türen blieb Travis stehen. Sie unterschied sich durch nichts von den anderen; sie war aus dem gleichen grauen Holz gefertigt und weder mit einer Rune noch einem Symbol gekennzeichnet. Er ergriff die Türklinke aus Bronze und drückte sie herunter. Die Tür war nicht verschlossen. Neugier erfüllte ihn – und Schuld. Er warf einen Blick zurück die Treppe hinunter, aber es war niemand zu sehen.
    Die Neugier gewann.
    Er stieß die Tür auf und trat ein. Sofort drang Staub in seine Nase und Lungen und raubte ihm den Atem. Er blinzelte, rieb den Schmutz aus seinen Augen und konnte noch immer nichts sehen. Selbst wenn der Raum über ein Fenster verfügte – und er konnte nicht sagen, ob das zutraf –, draußen war es Nacht geworden. Er überlegte, wieder zu gehen. Aber er zögerte und sprach dann ein leises Wort. »Lir.«
    Ein weiches Licht flackerte in der Luft genau über seinem Kopf auf und trieb die Schatten zurück in die Ecken des keilförmigen Raums. Ein Teil von ihm zuckte bei dieser Zurschaustellung von Macht zusammen. Aber von allen Runen, die er jemals gesprochen hatte, war die Rune des Lichts die sanfteste und diejenige, bei der er sich am sichersten fühlte. Außerdem war niemand da – niemand, der einen Schaden davontragen konnte.
    Jetzt, da er sehen konnte, schaute er sich in der Zelle um. Aber bis auf eine mottenzerfressene Bettstatt und einen Stuhl mit nur drei Beinen war sie leer. Mit einem Seufzer ging er wieder hinaus.
    Er wußte, er hätte in seine Zelle zurückkehren sollen. Aber wie gewöhnlich setzte sich die Langeweile über den gesunden Menschenverstand hinweg. Er ging ein paar Stufen weiter und öffnete eine andere Tür. Aber der Raum auf der anderen Seite war völlig leer, so wie die nächsten drei auch.
    Er schloß die letzte Tür und lehnte sich gegen sie. Er verspürte eine seltsame Enttäuschung. Aber was hatte er hinter den Türen zu finden gehofft? Mit einem Schulterzucken ging er wieder nach unten, auf seine Zelle zu.
    Nach drei Schritten blieb er stehen. Hätte nicht das blasse Licht über seinem Kopf geschwebt – das er zu löschen vergessen hatte –, hätte er es niemals gesehen. Da war nur ein schmaler Schatten, wie ein Spalt in der Wand.
    Aber in den Wänden an diesem Ort gibt es keine Spalten, Travis.
    Er fuhr mit der Hand über glatten Stein. Seine Finger berührten den Schatten – und dann nichts mehr. Da war eine Öffnung in der Wand,

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