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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Die Bewahrer.«
    »Wie alt waren Sie, als Sie dort angefangen haben?«, fragte Grace, die es verstehen wollte. Sie mochte Vani, war ihr dankbar. Sie wollte nicht glauben, dass sie nicht mehr als ein ausgebildeter Killer war. Töten, bewahren. Konnte das wirklich das Gleiche sein?
    »Ich habe Golgoru an meinem zwölften Geburtstag betreten«, sagte Vani. »Das war spät. Die meisten betreten den Stummen Ort, bevor sie älter als zehn Sonnen sind. Aber ich gehörte zum Blut, darum konnten mich die Meister nicht abweisen.«
    »Das Blut?«
    »Ja. Königliches Blut.«
    »Morindu die Finstere«, sagte Grace leise. »Sie stammen von ihren Herrschern ab, nicht wahr? Dort sind Sie eine Prinzessin.«
    Vanis Lächeln war wunderschön und zersplittert, eine uralte Vase, die von der Last der Zeit zerschmettert worden war. »Vermutlich wäre ich das, wenn Morindu wieder aufersteht.«
    Grace erstarrte. Und du glaubst, dass ich zusammen mit Travis dafür sorgen werde. Darum bist du hergekommen und hast nach uns gesucht. Du glaubst, wir werden dir helfen, eine Stadt auszugraben, von der wir noch nie gehört haben, auf einer Welt, auf die wir nicht einmal gelangen können.
    »Verzeihen Sie mir, Grace Beckett«, sagte Vani. »Wie ich sehe, habe ich Sie aufgeregt.« Sie stand auf.
    »Grace genügt.«
    Vani verharrte. »Was?«
    »Nicht Beckett.« Grace schaute auf. »Sag einfach nur Grace zu mir.«
    Die Frau mit den goldenen Augen zögerte, dann schienen sich ihre Lippen zu einem schmalen Lächeln zu verziehen, und sie setzte sich wieder. Doch sobald sie wieder saß, entdeckte Grace, dass ihr die Gesprächsthemen ausgegangen waren.
    »Der Ritter«, sagte Vani und brach nach einer Minute das Schweigen. »Der Mann Beltan. Sind er und Travis … das heißt, stehen sie sich nahe?«
    Grace faltete die Hände im Schoß. »Beltan liebt ihn«, sagte sie schlicht.
    »Und erwidert Travis diese Liebe?«
    Plötzlich waren Vanis Augen so leblos wie Steine. Etwas stimmte nicht, aber Grace vermochte nicht zu sagen, was es war.
    »Warum fragst du Travis nicht selbst?«, sagte sie.
    Vani wandte sich ab. Grace streckte die Hand nach ihr aus, aber in diesem Augenblick öffnete sich eine der Schlafzimmertüren, und Travis trat heraus. Er trug die gleiche schwarze Jeans und das T-Shirt, aber sein Kopf war frisch rasiert, und seine Augen blickten klarer.
    »Was gibt’s?«, wollte er wissen.
    Vani sagte nichts, und Grace suchte nach Worten, aber Farrs und Deirdres Eintreten rettete sie. Farr hielt ein kleines Gerät in Schwarz und Silber in der Hand.
    »Ich glaube, wir sind so weit«, sagte er. »Grace muss nur noch ein paar Worte für die Polizei und Duratek hier reinsprechen.« Er hielt das Gerät zusammen mit einem gelben Notizblock hoch. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, Grace, aber ich habe mir die Freiheit genommen, den Text Ihrer Aufgabe zu schreiben.«
    Grace starrte ihn an, aber das – und der eigentliche Grund dafür – wurde ihr erst bewusst, als er eine Braue hob.
    Wenn sein Plan funktioniert – wenn du durch das Tor gehst und nach Eldh zurückkehrst –, wirst du ihn nie wieder sehen.
    In jener Nacht vor einem Jahr, als Farr ihr geholfen hatte, auf dem Polizeirevier in Denver den Eisenherzen zu entfliehen, hatte es so viel gegeben, was sie ihn hatte fragen wollen. In dem Chaos nach der Ankunft der Sucher hatte es nicht einen ruhigen Augenblick gegeben, in dem sie mit ihm hätte sprechen können. Jetzt würde es ihn vielleicht nie mehr geben.
    Farr holte Luft, als wollte er etwas sagen. Doch Vani stand auf.
    »Es gibt ein paar Dinge, die wir brauchen, um das Artefakt zur Benutzung vorzubereiten«, sagte sie. »Salben, Kräuter, Kerzen. Rituelle Dinge. Ich hatte keine Zeit, sie zu besorgen.«
    Travis rieb sich über den Kopf und grinste Grace an. Sie nickte. Sie brauchte die Gabe nicht, um seine Gedanken zu lesen.
    »Da kenne ich genau den richtigen Ort«, sagte er.

6
    Deirdre starrte aus den getönten Scheiben der Limousine und sah durch ihr Spiegelbild hindurch, während draußen die matten Bilder vorbeihuschten. Einen kurzen Augenblick lang legte sich eine Ladenfront aus roten Backsteinen über das geisterhafte Negativ ihres Gesichts. Sie drehte den dicken Silberring an ihrer rechten Hand und dachte an Brixton.
    Dass Duratek für die Todesfälle im Surrender Dorothy verantwortlich war, stand außer Frage. Für sie war ein mysteriöser Brand so etwas wie eine konzernübliche Standardprozedur. Dann war da das Electria. Sicher,

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