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Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt

Titel: Die letzte Rune 06 - Die sterbende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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Augen waren voller Intelligenz – obwohl in ihnen auch eine gewisse Trägheit zu sehen war. Auf seinem Kopf ruhte eine schiefe Krone aus goldenen Ithaya- Blättern.
    Der Kaiser wurde umgeben von seinen … ja, was? Seiner Dienerschaft? Seinen Sklaven? Den Palast-Prostituierten?
    Grace vermochte es nicht zu sagen; sie wusste nur eines: Sie waren ausnahmslos jung, wunderschön und – wenn man den Schmuck nicht mitzählte – splitternackt. Ein paar unbekleidete junge Männer, deren eingeölte Haut glänzte, fächelten dem Kaiser Luft zu, während ein paar junge Mädchen Ephesian mit Früchten zu locken versuchten, die kaum weniger üppig als ihre nackten Brüste waren. Die meisten der jungen Dinger zupften an Harfen herum und machten Musik, oder sie tanzten zur Freude des Kaisers.
    Und wenn sie sich auf diese Weise gemeinsam bewegen, kann man das wohl kaum bloß als Tanz bezeichnen.
    Grace wandte sich mit roten Wangen ab, nur um entdecken zu müssen, dass allen Männern ihrer kleinen Gruppe beinahe die Augen aus dem Kopf fielen. Es sah so aus, als würde sie ein Tuch brauchen, um Durges Unterkiefer wieder in der richtigen Position festbinden zu müssen.
    Im Gegensatz zu Graces männlichen Begleitern schien der Kaiser die festen, eingeölten, sich um ihn herum windenden Körper kaum wahrzunehmen. In einer baumelnden Hand hielt er einen Weinpokal, als hätte er ihn vergessen. Grace glaubte, die Trägheit in dem Blick seiner zur Hälfte geschlossenen Augen zu verstehen. Es war Langeweile.
    »Eure Herrlichkeit«, sagte Melia, »es ist so schön, Euch zu sehen.«
    Der Kaiser setzte sich ein kleines Stück auf. Einen Augenblick lang runzelte er verwirrt die Stirn und kniff die Augen zusammen, während er nach vorn schaute. Dann verschwand die Trägheit in seinem Blick und wurde von einem hellen Funkeln ersetzt.
    »Bei allen Göttern, Melindora Nachtsilber!«
    Die Stimme war ganz anders, als Grace sie erwartet hatte: Es war ein klarer, schöner Tenor.
    »Zu Euren Diensten, Eure Herrlichkeit«, sagte Melia mit einem eleganten Hofknicks, den Grace in tausend Jahren niemals so hinbekommen hätte. Trotzdem machte sie ihn nach, als sie und die anderen dem Kaiser ihren Respekt erwiesen.
    Ephesian bedeutete ihnen, sich wieder zu erheben. »Das ist die erste interessante Sache, die heute passiert. Und da ist ja Falken Schwarzhand an Eurer Seite. Und, führt Ihr wie immer Unheil im Schilde, mein melancholischer Barde? In letzter Zeit irgendwelche Königreiche in den Untergang getrieben? Und sind das Freunde von Euch? Das sind doch gar keine richtigen Mournisch, oder, Melindora? Sie sehen jedenfalls nicht danach aus, bis auf die beiden da. Bruder und Schwester, nicht wahr? Und vielleicht dem Dunklen da. Seid Ihr und die anderen gerade in Tarras eingetroffen?«
    Grace hatte den Eindruck, dass Ephesian keineswegs erwartete, dass jemand seine Fragen beantwortete. Trotzdem schaffte es Melia, eine Antwort in seinen Wortschwall einzuwerfen.
    »Nein, Eure Herrlichkeit. Wir sind schon länger in der Stadt.«
    »Was?« Ephesian hieb eine fleischige Hand auf die Thronlehne. Ein paar der nackten jungen Dinger zuckten zusammen. »Und da kommt Ihr erst jetzt zu mir? Was habt Ihr die ganze Zeit gemacht, Melindora? Kann es etwas Dringenderes geben, als mir, Eurem geliebten Kaiser, einen Besuch abzustatten?«
    Wieder streute Melia geschickt eine Antwort in seinen Redeschwall ein. »Ich habe es versucht, Eure Herrlichkeit. Aber der Meister des Tores hat gesagt, Ihr hättet meine Bitte, Euch zu sehen, abgeschlagen.«
    »Unfug! Der Meister hat mir nichts von einer solchen Bitte gesagt.«
    »Nach dem Zusammenstoß, den ich vor kurzem mit ihm hatte, überrascht mich das nicht, Eure Herrlichkeit.«
    Ephesian schaute finster drein. »Nun, ich danke Euch dafür, dass Ihr mir etwas Interessantes zu tun gegeben habt, Melindora. Ich werde der Sache auf den Grund gehen.«
    Er schnippte mit den dicken Fingern, und ein Soldat trat vor. Grace hatte ihn zuvor gar nicht bemerkt, aber jetzt sah sie, dass sich im Thronraum eine Menge Soldaten aufhielten. Vermutlich war das zum Schutz des Kaisers notwendig. Trotzdem verlieh es allem hier weniger den Anschein, ein Palast zu sein, als vielmehr ein Gefängnis.
    »Hol den Meister des Tores«, befahl der Kaiser dem Soldaten, der sich verbeugte und aus dem Thronraum rannte.
    »Ihr werdet Euch mit ein paar Erfrischungen vergnügen, solange Ihr wartet«, sagte Ephesian.
    Einige der üppigen Hofdamen stiegen von dem Podest

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