Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
legte, brachte Mrs. Vickerys Ehemann ein Tablett. (Nach dem Zwischenfall mit der geworfenen Flasche bezahlte Tanner Mrs. Vickery zusätzlich dafür, die Mahlzeiten zu liefern.) Durge brachte es nach hinten in den Zellentrakt, weckte Sareth und deckte das Tablett ab.
Wie gewöhnlich handelte es sich um Rindfleisch und Kartoffeln – das Erstere war so übergar, wie das Letztere zu kurz gekocht war. Durge schob eine Bank zurecht, so dass sie zusammensitzen und sich die Mahlzeit teilen konnten, und bis auf die trennenden Gitter war es fast so wie ein Essen in der Pension. Sareth knabberte an einer Kartoffel herum, verschmähte aber das Fleisch. Durge aß das, was Sareth übrig ließ – obwohl sein Kiefer schmerzte, als er das Rindfleisch endlich zu Ende gekaut hatte –, dann stand er auf, um das Tablett wegzubringen.
»Ich werde es nicht schaffen, Durge, oder?«, fragte Sareth.
Durge blieb in der Tür stehen, drehte sich um. Sareth saß mit gefalteten Händen am Pritschenrand. Sein Gesicht lag in den Schatten verborgen, allerdings konnte Durge das Glitzern seiner kupferfarbenen Augen sehen.
»Lady Lirith ist eine fähige Heilerin«, sagte Durge. »Ich bin sicher, dass Ihr unter ihrer Pflege nicht dahinsiechen werdet.«
Durge hatte die Worte tröstend gemeint. Aber Sareth zuckte zusammen, als wäre er geschlagen worden.
»Das habe ich nicht gemeint.« Die Stimme des Mournisch war leise und heiser. »Sie werden mich bald holen kommen. Gentry und Ellis und ihre Bande. Versprecht mir, dass Ihr Euch ihnen nicht in den Weg stellt, um mich zu beschützen. Lirith braucht Euch und Travis auch.« Sareth stand auf und umklammerte die Gitterstäbe seiner Zelle. »Kämpft nicht um meinetwegen. Versprecht mir das.«
Durges Tonfall war streng. »Ich werde Euch nichts dergleichen versprechen. Ich bin Ritter und Lord von Embarr. Es steht Euch nicht zu, mir zu sagen, wie ich mein Schwert zu führen habe.«
Durge verließ das Gefängnis ohne jedes weitere Wort und verschloss die Tür hinter sich.
Draußen vor dem Fenster erschien die Mondsichel. Mitternacht kam und ging wie ein Geist. Durge saß steif hinter dem Schreibtisch, die Augen nach vorn gerichtet. Es bereitete ihm keine Mühe, die ganze Nacht Wache zu halten; im Verlauf der Jahre hatte er das zahllose Male getan. Gelegentlich hatten ihn jüngere Ritter gefragt, worin der Trick bestünde, wie er wach blieb, während die Stunden verstrichen. Es ist ganz einfach, pflegte Durge dann zu sagen. Der Wille, seine Pflicht zu erfüllen, muss stärker sein als das Verlangen nach Schlaf. Durges Willen war das immer.
Oder er war es zumindest immer gewesen.
Glas zerbrach klirrend. Durge riss den Kopf hoch, und erst da wurde ihm bewusst, dass er auf der Tischplatte geschlafen hatte.
Du wirst alt, Durge von Steinspalter. Alt und hinfällig. Es ist Zeit, deine Jahre in eine Decke gehüllt vor dem Kamin zu verbringen, Suppe aus einer Holzschale zu schlürfen, die du mit zitternden Händen hältst. Falls du nicht zuvor getötet wirst.
Trotz seiner Nachlässigkeit war er in Bewegung, bevor die Glassplitter den Boden erreicht hatten. Das Lampenlicht zeigte ihm alles. Eine der Scheiben des vorderen Fensters war zerbrochen. Der Stein, der dafür verantwortlich war, lag auf dem Boden, an ihm festgebunden war ein kleines Stück Papier.
Durge begab sich ans Fenster und spähte hinaus, aber die Straße lag verlassen da. Er bückte sich mit knirschenden Knien und hob den Stein auf. Die Botschaft auf dem Papier war in sauberer Handschrift verfasst. Lasst den Zigeuner frei, sonst bricht hier die Hölle los.
Durge legte das Stück Papier auf den Schreibtisch, dann öffnete er die Vordertür und trat hinaus. Ihm war klar, dass er wegen des innen brennenden Lichts als Silhouette erscheinen und ein leichtes Ziel bieten würde. Aber er wusste auch, dass ihm nichts geschehen würde. Nicht heute Nacht. Sie wollten eine Botschaft schicken, das war alles.
In der Luft hingen die blecherne Musik eines Pianos sowie in der Ferne ertönendes Gelächter. Und da war noch etwas anderes. Ein leises Schnauben. Dann sah Durge im Augenwinkel eine Bewegung. Er wandte den Kopf noch rechtzeitig, um einen Schatten auf die Gassenmündung zujagen zu sehen. Zuerst hielt er es für ein großes Tier, da es auf allen vieren zu rennen schien. Erst dann erhob sich der Schatten auf die Hinterbeine und bewegte sich mit trottenden Bewegungen, und Durge erkannte, dass es sich um einen Menschen handelte.
Jedenfalls
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