Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
flüsterte sie.
Die Alte lachte leise. »Leb wohl, Tochter.« Dann drehte sie sich um, humpelte fort und verschwand im grauen Licht der Morgendämmerung.
8
Am späten Morgen des folgenden Tages erreichten sie die Hafenstadt Omberfell. Sie brachten ihre vier gestohlenen schwarzen Schlachtrösser auf einer mit Gestrüpp bewachsenen Anhöhe südlich der Stadt zum Stehen. Unter ihnen erstreckte sich ein farbloser Flickenteppich aus Feldern, der an der zerklüfteten Küste endete. Dahinter lag nur noch der Ozean, so stumpf und flach wie eine Platte primitiv geschmiedetes Eisen.
Der Tiermann, der sie geführt hatte, grunzte und zeigte auf die Stadt. Dann zog er wortlos die räudigen Pelze enger um den Körper, ließ sich auf alle viere nieder und verschwand im Unterholz.
»Gesprächiger Bursche, was?«, sagte Beltan und betrachtete die Büsche, in denen der Tiermann verschwunden war. »Ich glaube, das Einzige, was er gesagt hat, war sein Name. Ghromm.«
Falken warf dem Ritter einen Blick zu. »Bist du sicher, dass das wirklich sein Name war? Ich dachte, er würde bloß die Federn aus dem Hals würgen, nachdem er diesen Spatzen mit einem Bissen runtergeschlungen hatte.«
»Stimmt«, gab Beltan ihm Recht.
Vani wandte sich dem Ritter zu. »Schweigsamkeit ist eine bewundernswerte Eigenschaft, die andere lieber nachahmen sollten.«
Beltan wollte eine erregte Erwiderung von sich geben, aber Grace drückte die Flanken ihres Schlachtrosses und schaffte es, das Tier zwischen den Ritter und die T’gol zu lenken. »Ich wünschte, wir hätten Ghromm etwas geben können«, sagte sie zu Falken. »Als Belohnung, dass er uns hergeführt hat.«
Der Barde schüttelte Tautropfen von seinem blauen Umhang. »Gold bedeutet seinesgleichen nichts. König Kel wird schon wissen, wie er ihn belohnen muss.«
Zweifellos mit ein paar Happen Fleisch. Als sie am Vortag den selbst ernannten König Kel verlassen hatten, hatte er dem Tiermann ein paar Stücke ranziges Wildbret zugeworfen und ihm befohlen, sie ungesehen nach Omberfell zu bringen.
»Es könnten noch mehr dieser schwarzen Ritter in der Nähe sein«, hatte Kel mit seiner schroffen Stimme gesagt. »Und in diesem Heideland lauern noch andere Gefahren.«
Grace hatte an die Feydrim gedacht, die ihnen in Meerwacht begegnet waren, und sie bezweifelte die Worte des Königs keinen Augenblick lang.
»Was werdet Ihr tun, Euer Majestät?«, fragte sie Kel beim Abschied.
Der König kratzte sich den buschigen roten Bart. »Meine Hexe sagt, ich kann nicht hier bleiben, aber ich kann auch nicht nach Kelcior zurück. Also werde ich wohl anderswo hingehen müssen.«
»Und wohin?«, wollte Falken wissen.
Kel lachte dröhnend und hieb ihm auf den Rücken. »Glaubst du, das verrate ich dir, mein guter grimmiger Barde? Der Ärger klebt an dir wie Moosbeeren an einem Bullen.«
Die Analogie ließ Falken das Gesicht verziehen, aber Grace musste lächeln. Sie mochte den großen, ungestümen König, und sie hoffte, sie würde ihn eines Tages wieder sehen. Und nicht nur ihn. Aber so sehr sie sich auch umsah, als sie auf die schwarzen Schlachtrösser stiegen, sie konnte Grisla nirgendwo entdecken.
Kels Tiermann hatte die Straßen gemieden und sie stattdessen über gewundene Wildpfade und quer durch die Heide geführt; dabei hatte er alle Anzeichen von Besiedlung gemieden. Grace vermochte nicht zu sagen, ob es dem Geschick des Tiermannes oder Glück zuzuschreiben war, aber sie waren keinem Menschen begegnet und auch keinem Tier, das größer als die paar Vögel war, die der Tiermann mit bloßen Händen fing und roh fraß.
Jetzt war er zurück zu König Kel unterwegs. Und Grace wusste, dass es für sie und die anderen nur eine Richtung gab. In die Stadt und dann nach Norden über das Meer.
»Lasst uns weitergehen«, sagte Beltan. »Es bringt nichts, hier in der Kälte herumzustehen, nicht, wenn Bier so nahe ist.«
»Woher weißt du das?«, fragte Grace neugierig.
Der blonde Ritter zuckte mit den Schultern. »Städte haben Tavernen. In Tavernen gibt es Bier. Das ist mir im Laufe der Jahre aufgefallen.«
Falken richtete die Lumpen, die seine Silberhand verbargen. »Jeder muss auf der Hut sein. Nach den Geschehnissen auf Meerwacht ist wohl allen klar, dass wir in Embarr niemandem vertrauen können.«
Es war schwer, einen guten Blick auf Omberfell zu werfen, bevor sie ganz nahe an der Stadt waren. Die Luft wurde von einem Schimmer erfüllt, der alle Farben zu einem Grau dämpfte, aber Grace konnte
Weitere Kostenlose Bücher