Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
anders. »Aber warum? Was macht der Königin so zu schaffen?«
»Der Mond hat drei Gesichter, nicht wahr? Und Ivalaine auch, obwohl sie doch nur eine Frau ist.«
Aryn nagte an einem Knöchel. Es hatte den Anschein, als hätte Ivalaine genau das zu sich selbst gesagt, dass sie zuerst Königin und dann Hexe war, und dass sie vielleicht vor allem anderen Mutter hätte sein sollen. Aber das ergab keinen Sinn. Die Königin war nicht verheiratet, und sie hatte keine Kinder. Vielleicht meinte sie ihre Untertanen. Waren sie für eine Königin nicht wie Kinder? Das musste sie damit gemeint haben.
»Es muss sehr schwer für sie sein«, sagte Aryn.
»Manchmal werden wir gezwungen, unerträgliche Entscheidungen zu treffen.« Mirda beugte sich vor und nahm Aryns linke Hand. »So wie Ihr eine Entscheidung zu treffen habt.«
Aryn spürte eine Wärme in sich aufsteigen, die nicht vom Feuer kam. Mirda hatte nicht mit Hilfe der Gabe in ihrem Bewusstsein gesprochen, trotzdem verstand Aryn.
»Ja«, sagte Mirda ernst. »Vor Euch liegt ein gefährlicher Weg. Ich habe Euch an Wissen teilhaben lassen, das einige der Hexen lange Jahre geheim halten wollten – ein Wissen, das sie noch immer verbergen, wenn nicht sogar zerstören wollen. Es bleibt Euch überlassen, was Ihr damit macht. Aber bevor Ihr Euch entscheidet lasst mich Folgendes sagen: Es gibt jene unter den Hexen, die die Prophezeiungen der Weisen nie vergessen haben. Wir sind dieselben, die betrübt waren, dass die Alten an den Rand des Musters gedrängt wurden. Und auch wenn wir nur wenige sind, gibt es dennoch Dinge, die wir bewerkstelligen können, wie Ihr beim Weben des Musters gesehen habt. Seit vielen Jahren kommen wir im Verborgenen zusammen und arbeiten zusammen.«
Die Hitze des Feuers verschwand; es war, als würde ein kalter Luftzug durch den Raum wehen.
»Ihr gehört einem Schattenzirkel an!«, stieß Aryn hervor.
Mirda lächelte schmal. »Ich vermute, andere nennen uns so.«
Lirith hatte Aryn im Verlauf ihres Unterrichts von den Schattenzirkeln erzählt: kleine Gruppen von Frauen, die sich im Geheimen trafen und ihre Zauber außerhalb der Hexengemeinschaft wirkten, die ihre eigenen Muster webten. Viele der Schattenzirkel der Vergangenheit waren von ihrer Natur her dunkel gewesen; sie hatten nach Möglichkeiten gesucht, mit Hilfe der Weltenkraft andere zu kontrollieren und zu manipulieren. Als die Bevölkerung vor einem Jahrhundert von ihrer Existenz erfuhr, hatte das zu einer Hexenverfolgung geführt, bei der viele verbrannt und ertränkt worden waren.
Aryn zog ihre Hand zurück. »Aber alle Schattenzirkel wurden aufgelöst. Darum kommen wir doch bei einem einzigen Großen Hexenzirkel zusammen, damit wir alle zusammenarbeiten.«
»Und würdet Ihr mit Schwester Liendra und ihrer Fraktion zusammenarbeiten?«
Mirda sprach in ihrem üblichen sanften Tonfall, trotzdem waren ihre Worte wie ein Schlag.
»Also hat ein Schattenzirkel überlebt.«
»Zumindest einer, von dem ich weiß«, bestätigte Mirda. »Aber wenn wir weiterbestanden haben, wer vermag dann schon zu sagen, ob es nicht noch andere gibt? Aber egal, Ihr steht jetzt vor einer Entscheidung. Ihr könnt Euch uns anschließen und werdet damit zur Renegatin, zur Häretikerin – Verbrechen, die damit bestraft werden, dass man Euren Faden aus dem größeren Muster der Hexen reißt. Und glaubt mir, das ist eine schreckliche Strafe, schlimmer, als Ihr es Euch, vorstellen könnt. Wenn genug Hexen zusammenkommen, um diesen Zauber zu weben, könnt Ihr niemals wieder mit der Gabe die Weltenkraft berühren.«
Aryn erschauderte; allein schon der Gedanke bereitete ihr Übelkeit. Es würde wie der Tod sein, nur noch schlimmer. Denn sie würde jede Minute eines jeden Tages genau wissen, was ihr verwehrt war.
»Oder Ihr könnt unsere Existenz unseren Schwestern enthüllen«, fuhr Mirda fort. »Ihr könnt Schwester Liendra eine Botschaft schicken. Seid versichert, dass Euch das hoch in ihrer Gunst steigen lassen würde. Und dann könnt Ihr zusehen, wie man mich und meine Schwestern entlarvt und eine nach der anderen für alle Ewigkeit aus dem Muster und der Weltenkraft herausschneidet.«
»Und was ist, wenn ich nichts tue?«
»Das ist das eine, was Ihr nicht tun könnt.«
»Dann werde ich …«
Mirda hielt die Hand hoch. »Nein, Schwester. Eine solche Entscheidung sollte nicht aus dem Augenblick heraus gefällt werden. Denkt darüber nach, bis der Mond voll ist, was in drei Tagen ist, und teilt mir dann Eure
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