Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters
der mit gesenkten Schultern in der Nähe stand. »Euer Hoheit, aller Wahrscheinlichkeit nach befinden sich Eindringlinge im Schloss. Ihr müsst den König beschützen. Bringt ihn in sein Gemach, befehlt mehr Männer herbei. Was auch immer Ihr tut, beschützt ihn mit Eurem Leben.«
Die Worte schienen den jungen Prinzen zu erstaunen, aber nach kurzem Zögern nickte er und nahm die Schultern zurück, und in seinen dunklen Augen schien ein Licht aufzuflammen. »Ich werde ihn beschützen, Vetter.« Er trat heran und nahm Beltans Platz ein. »Komm, Vater.«
»Geh weg, Junge. Ich muss mich um mein Volk kümmern.«
»Das ist jetzt Sache deiner Krieger. Du musst das ihnen überlassen.«
»Ja, meine Krieger …« Seine Lider flatterten.
»Behaltet ihn genau im Auge, Euer Hoheit«, sagte Grace. »Flößt ihm Wasser ein. Und lasst ihn nicht einschlafen.«
Teravian nickte, und Boreas verzichtete auf weiteren Protest, als der Prinz ihn zum Tor des Oberen Burghofes führte. Die Wachen folgten ihnen; sie nahmen Lord Farvel mit.
Grace sah Melia an. »Du passt auf Tira auf?«
Die Lady mit den Bernsteinaugen hob das Mädchen hoch, und Tira legte den Kopf auf ihre Schulter. Grace ging auf das zerstörte Tor zu und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Schlossbewohner rannten kopflos in alle Richtungen, die Gesichter weiß vor Staub, einige von ihnen blutverschmiert.
»Es könnte noch eine Explosion geben«, stotterte Durge und starrte mit weit aufgerissenen Augen hinter Grace her. »Was macht sie da?«
»Helfen«, sagte Travis. »Kommt mit.«
Er ging los. Dabei war er sich nur vage bewusst, dass die anderen zuerst zögerten, ihm dann aber folgten.
Travis verlor Grace aus den Augen, dann löste sich eine Gruppe aus Bauern auf und er sah sie wieder, wie sie mit blutigen Händen neben einer zusammengebrochenen Gestalt kniete. Es war eine junge Frau im grauen Kleid der Dienstboten. Travis fragte sich, ob er helfen konnte, aber Grace stand auf und schüttelte den Kopf. Ein Großteil des Unterleibs der jungen Frau war einfach nicht mehr da; sie musste ganz in der Nähe des Explosionsherdes gestanden haben.
»Sir Tarus!«, brüllte Beltan hinter Travis. »Welche Neuigkeiten habt Ihr?«
Der rothaarige Ritter rannte auf sie zu, mehrere Wachsoldaten folgten ihm. »Der südöstliche Turm wurde nicht mehr bewohnt«, sagte Tarus atemlos, als er sie erreicht hatte. »Und er ist sauber abgebrochen. Es gab ein paar geringfügige Verletzungen, das war alles, aber die Schlossmauer wurde beschädigt – da ist ein Loch, durch das ein Heer marschieren könnte.«
»Was ist mit dem Turm hier?«, fragte Durge. »Da haben sich doch sicherlich noch Menschen darin aufgehalten. Sie werden es nicht überlebt haben, diese Hoffnung ist sinnlos, aber wir müssen es versuchen.«
Beltan wechselte einen grimmigen Blick mit Durge und Tarus. »Wir werden sie da rausholen.«
»Und ich sehe nach, ob im Schloss noch Eindringlinge sind«, sagte Vani.
Travis versetzte es einen Stich. Beltan und Vani waren beide so stark, so mutig. Was hatte er getan, um ihre Liebe zu verdienen? Aber vielleicht empfanden sie ja nichts mehr für ihn. Beide waren ihm auf der Reise nach Calavan aus dem Weg gegangen. Hatte er etwas getan, um sie zu vertreiben? Aber das spielte keine Rolle. Ob sie ihn nun liebten oder nicht, er liebte sie. Das war das eine in diesem großartigen Desaster, das sein Leben darstellte, das er mit absoluter Sicherheit wusste.
»Ich kann das unmöglich allein schaffen«, sagte Grace und betrachtete die Verletzten. Ihre Worte klangen nicht verzweifelt, sondern sachlich, frustriert.
»Ich bin hier, Schwester«, sagte Lirith und berührte ihren Arm. »Ich bin keine so geschickte Heilerin wie du, aber ich werde tun, was ich kann.«
Grace nickte der Hexe zu. »Ich brauche auch Hilfe bei der Triage – jemand, der die Verwundeten nach der Dringlichkeit sortiert.«
»Sagt mir, was zu tun ist, und ich mache es«, sagte Sareth.
Falken nickte. »Ich auch.«
Augenblicke später gingen die beiden Männer zwischen den Verwundeten umher, stellten fest, wer lebte, wer starb und wer bereits tot war. Grace beugte sich über eine geschwärzte Gestalt, und Lirith schnappte sich einen Wachmann und befahl ihm, die benötigten Dinge zu holen – Stoff, Wasser, Nadeln, Garn und Wein. Melia eilte mit Tira auf dem Arm dem Mann hinterher, um dafür zu sorgen, dass der Befehl mit der nötigen Schnelligkeit ausgeführt wurde.
Travis zögerte, unsicher, was er tun
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