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Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters

Titel: Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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hervor. »Das dürfen sie nicht!«
    »Das ist im Wald nun einmal so, Tochter.« Die Alte seufzte leise. »Jedes Jahr jagen Quellior und seine Jäger den Waldkönig, jedes Jahr töten sie ihn, und jedes Jahr kehrt er wieder zurück. Aber der König ist eben erst auferstanden. Die Zeit ist noch nicht für sie gekommen, ihn zu fangen, und deinetwegen konnte er entkommen. Also werde ich dir wegen deiner gutherzigen Tat helfen.«
    »Was könnt Ihr tun?« Aber Grace hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da schwang die Alte ihren Stab und die Wand aus Bäumen teilte sich wie ein Vorhang. Dahinter lag eine Lichtung, und es präsentierte sich ein Anblick, der Graces Herz beinahe erstarren ließ.
    Der rothaarige Junge – Quellior – saß auf seinem schwarzen Pferd, einen Pfeil eingelegt. Die anderen Jäger versammelten sich um ihn. Durge lag wie ein gestelltes Tier am Boden. Seine Augen waren geschlossen, sein Haar voller Blätter und Zweige, aus seiner Stirn ragte das Geweih. In seiner Haut steckte ein Dutzend winziger Pfeile. Quellior lachte und zog die Bogensehne bis zum Ohr zurück, bereit, den Pfeil in Durges Herz zu schießen.
    »Halt!«, rief Grace und stolperte über Wurzeln, als sie losrannte. Sie fiel neben Durge auf die Knie und beschützte ihn mit ihrem Körper. »Lasst ihn in Ruhe!«
    »Holz und Knochen, wie kommst du denn her?«, fauchte Quellior mit seiner hohen Stimme. »Aber das spielt keine Rolle. Mein Pfeil kann genauso gut zwei durchbohren.«
    »Ich glaube, er wird keinen durchbohren«, sagte da eine scharfe Stimme, und im gleichen Augenblick sprossen Blätter und Schlingpflanzen aus Quelliors Pfeil. Die Schlingpflanzen wanden sich wie grüne Schlangen um die Hände des Jungen und banden sie zusammen. Die anderen Jäger keuchten auf und murmelten und schlugen mit den Flügeln.
    Quellior starrte die Alte an. »Blut und Stein, Mutter! Ich hatte ihn fast!«
    Grace blinzelte erstaunt. Mutter?
    Die Alte marschierte mit dem Stab in der Hand auf die Lichtung. »Schäm dich, Quellior.« Sie musterte die Jäger mit einem strengen Blick, und sie duckten sich unter ihrem Zorn. »Das gilt für euch alle. Ist dieser Sterbliche das Wild, das ihr zu jagen habt?«
    »Sie hat uns unser Wild vorenthalten«, sagte der rothaarige Junge und starrte sie finster an. »Also haben wir den da an seiner Stelle gejagt.«
    Die Augen der Waldkönigin blitzten. »Beantworte meine Frage. Ist dieser Sterbliche euer wahres Wild?«
    Quellior ließ den Kopf hängen und seufzte. »Nein, Mutter.«
    »Das denke ich auch. Jetzt verschwindet.« Sie stieß den Stab auf den Boden. »Ihr alle. Ihr werdet den Waldkönig finden, wenn der Sommer in seinen letzten Tagen ist.«
    Quellior hob den Kopf, ein seltsamer Ausdruck lag auf seinem Gesicht. »Falls es jemals wieder Sommer werden sollte, Mutter.« Er warf Grace noch einen hasserfüllten Blick zu, dann galoppierte sein Pferd zwischen den Bäumen fort, und die anderen Elfen-Jäger folgten ihm.
    Grace bettete Durges Kopf in ihren Schoß. Sie strich ihm das Haar aus der Stirn und staunte unwillkürlich darüber, wie das Geweih mit seiner Haut und dem Schädel verschmolzen war. Sie berührte einen winzigen Pfeil, der direkt über seinem Schlüsselbein aus seiner Haut herausragte, konnte sich aber nicht dazu überwinden, nach seinem Puls zu tasten.
    »Ist er tot?«
    »Nein, Tochter«, sagte die Waldkönigin, die neben ihr stand. »Die Pfeile der Geflügelten bringen nur Schlaf, keinen Tod.«
    »Wie kann ich ihn dann wecken?«
    »Bist du sicher, dass du das willst, Tochter?«
    Grace starrte sie verständnislos an.
    Das Gesicht der Alten war voller Trauer. »Ein sterblicher Mann ist kein Tier, aber man kann ihn dazu bringen, sich so zu verhalten. Ich fürchte, Quellior hat deinem Freund einen bösen Streich gespielt. Sollte er jetzt aufwachen, dann würde er sich nicht mehr daran erinnern, dass er einmal ein Mann war, sondern sich für ein Tier halten.«
    Auf gewisse Weise sah er wie ein Tier aus – nackt, schmutzig und wild. Aber Grace wusste, dass sich der wahre Mensch darunter befand. Ihre Tränen fielen auf sein Gesicht und wuschen einen Teil des Schmutzes fort. »Er ist kein Tier. Er ist der freundlichste, mutigste und aufrechteste Mann auf der ganzen Welt.«
    »Wenn du das in ihm siehst, besteht vielleicht die Möglichkeit, dass du ihm helfen kannst.«
    Grace schaute mit neu erwachter Hoffnung auf. »Wie?«
    »Du musst deinen Lebensfaden mit seinem verbinden. Du musst ihm zeigen, wie du ihn

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