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Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters

Titel: Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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lesen konnte, darum. Aber warum sie dann überhaupt auf dem Server lassen, auf dem sie sie finden konnte? Ihre Gedanken summten wie ein Computer.
    Vielleicht wäre es aufgefallen, wenn man die Datei gelöscht hätte. Vielleicht wollte derjenige, der sie gelöscht hat, keine Aufmerksamkeit erregen, bis es absolut unumgänglich war – bis die Datei gefunden wurde. Aber wie haben sie sie im Auge behalten?
    Sie musste mit Farr sprechen; er würde wissen, was zu tun war.
    Es klingelte weiter. »Komm schon, Hadrian, geh ran. Verdammt noch mal … mach schon.«
    Ein Klicken ertönte. Das Rufsignal endete und wurde von einer künstlichen Stimme ersetzt. »Die Nummer, die sie gewählt haben, ist abgeschaltet worden. Wenn Sie sich verwählt haben sollten …«
    Deirdre knallte den Hörer zurück auf den Apparat an der Wand. Nein, sie hatte sich nicht verwählt. Farr war gegangen. Aber wohin? Da war etwas an ihm gewesen – eine Macht, eine lauernde Gefahr –, das ihr noch nie zuvor aufgefallen war. Dann fielen ihr seine letzten Worte wieder ein.
    Wissen Sie, es gibt noch eine Begegnung der Klasse eins, die wir noch nicht hatten …
    Deirdre sackte auf dem Stuhl zusammen und starrte den Computerbildschirm an. Es war das Erste, was jeder Sucher bei seinem Eintritt in die Organisation lernte: die Klassifizierung außerweltlicher Begegnungen. Begegnungen der Klasse drei gab es häufig – Gerüchte und Geschichten außerweltlicher Natur. Begegnungen der Klasse zwei waren seltener, in der Geschichte der Sucher aber oft genug dokumentiert – Begegnungen mit Gegenständen und Orten, die Rückstände außerweltlicher Mächte trugen. Und Begegnungen der Klasse eins kamen am seltensten vor – die direkte Interaktion mit außerweltlichen Wesen und Reisenden.
    Aber Farr hatte Recht. Es gab noch eine Klasse von Begegnungen, eine, die in den fünf Jahrhunderten der Existenz der Sucher niemals dokumentiert worden war. Eine Begegnung der Klasse null. Die Versetzung in eine andere Welt.
    Deirdre ballte die Hände zu Fäusten. »Was tust du da, Hadrian? Bei allen Göttern, was tust du da?«
    Aber die einzige Antwort bestand aus dem unablässigen Summen des Computers.

14
    Deirdre stieg die Stufen der U-Bahn-Station Blackfriars hinauf und betrat den belebten Bürgersteig, dabei fummelte sie an ihrer Sonnenbrille herum.
    Bis jetzt hatte sie es für unmöglich gehalten, dass in London die Sonne zu hell sein könnte. Schließlich hatte sie den größten Teil ihres Lebens im wolkenlosen Westen Amerikas verbracht; verglichen mit dem strahlenden Flutlicht, das mehr als dreihundert Tage im Jahr über Colorado hing, war die Sonne in England eine Sechzig-Watt-Birne. Aber nachdem sie die ganze Nacht auf den leuchtenden Bildschirm des Computers gestarrt hatte, den ihr die Sucher geschickt hatten, schien selbst das schwache Morgenlicht (das sich ehrlich gesagt aus gleichen Teilen Dunst wie Sonne zusammensetzte) in ihren Augen zu stechen.
    Sie erreichte den Bürgersteig und trat sofort in einen Kaugummi. Mit einer Hand stützte sie sich an einer Laterne ab und hob den Fuß. Klebrige Fasern dehnten sich vom Zement zur Stiefelsohle. Sie versuchte den Kaugummi abzureißen, aber er blieb bloß an ihren Fingern kleben.
    »Das sieht nicht besonders hygienisch aus«, meinte eine ältere Frau fröhlich. Sie holte ein Papiertaschentuch aus der Tasche und hielt es ihr hin.
    Deirdre schenkte ihr ein schmales Lächeln, nahm das Taschentuch und wischte sich die Hand ab, während die Frau weiterging. Der Kaugummi löste sich nicht, dafür blieben ein paar Fetzen Papier daran kleben und reduzierten die Klebrigkeit.
    Zwanzig Minuten später trat sie aus dem mit Mahagoni verkleideten Aufzug in das Hauptbüro unter dem Stiftungshaus.
    »Du bist spät dran«, sagte Sasha. »Nakamura hat dich schon vor zehn Minuten erwartet.«
    Deirdre hob eine Braue. Vielleicht hatte Fair gar nicht so Unrecht: Sasha hatte die Neigung, Leute zu überfallen. Heute trug sie einen eng anliegenden weißen Pullover und schwarze Hosen. Der safrangelbe Schal um ihren Hals lag dort so perfekt, dass er nur festgesteckt sein konnte.
    »Ich hatte ein Problem am Tor«, sagte Deirdre. »Der Kartenleser wollte meinen neuen Ausweis nicht anerkennen.«
    Sie hatte die Karte ein halbes Dutzend Mal in das Lesegerät gesteckt. Aber es war immer nur das rote Licht aufgeflammt, und beim letzten Versuch hatte das Gerät ein weinerliches Geräusch von sich gegeben. In diesem Augenblick war ein

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