Die letzte Rune 09 - Das Tor des Winters
war falsch, er sollte keine Magie ausüben, solange er nicht in Not war. Aber vielleicht war es ja doch wichtig. Er streckte die Hand aus, drehte die Handfläche nach oben und flüsterte eine Rune. »Lir.«
Sie kondensierte augenblicklich aus der Luft, um über seiner Handfläche zu schweben: eine kleine Lichtkugel, nicht golden wie die Morgensonne, sondern silberblau. Mit einem Fingerschnippen ließ er sie durch die Luft sausen. Die Kugel flog zwischen Marty und Jay hindurch, und der kleine Mann fluchte. Sie drehte mehrere Kreise um Sparkmans Kopf, dann kehrte sie zu Travis' Hand zurück. Er schloss die Finger darum, und das Licht verschwand.
Sparkman riss die Augen weit auf. Er rollte seinen Stuhl näher an Travis heran. »Absolut faszinierend. Es sah wie ein Hologramm aus, aber du konntest es mit deinem Willen lenken. Und solange du keinen Laser im Ärmel versteckt hast, habe ich keine Ahnung, wie du das erschaffen hast.«
Travis zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir da auch nicht so sicher. Aber im Moment spielt das auch keine Rolle. Darüber will ich nicht mit dir sprechen.«
»Und worüber willst du mit mir sprechen?«
Travis befeuchtete sich die Lippen. »Wie man etwas zerstört.«
Jay warf Marty und Sparkman einen besorgten Blick zu. »Zum Teufel, Travis – du willst doch wohl nicht etwas in die Luft sprengen, oder? Dabei könnte jemand verletzt werden.«
»Nein«, sagte Travis und blinzelte. Sein Kopf schmerzte von dem billigen Koffein und Angst. »Ich will niemanden verletzen. Das versuche ich ja gerade zu verhindern. Und darum muss ich sie zerstören.«
»Was zerstören?«, fragte Marty.
Travis legte die Finger um das Eisenkästchen in seiner Tasche. »Das kann ich euch nicht sagen.«
Martys Gesicht war ernst. »Ist es etwas Böses?«
Travis schüttelte den Kopf. »Nein, im Grunde genommen nicht. Aber man könnte sie dazu benutzen, großes Unheil anzurichten, wenn der Fahle … wenn sie in die falschen Hände fielen.«
Jay warf ihm einen schiefen Blick zu. »Das klingt wie etwas, das der alte Sparky hier sagen würde. Bist du sicher, dass du nicht auch Stimmen hörst?«
Beinahe hätte Travis gelacht. Er war sich ziemlich sicher, dass Jack mit seinem Vorhaben nicht einverstanden sein würde.
Und was genau hast du vor, wenn ich fragen darf?, ertönte Jacks gereizte Stimme. Du bist in letzter Zeit schrecklich geheimnisvoll.
Travis ignorierte ihn.
Sparkman strich sich mit nachdenklicher Miene den Bart. »Dinge zerstören ist ein gefährliches Vorhaben. Einstein hat uns gezeigt, dass eine kleine Masse das Äquivalent einer gewaltigen Menge an Energie ist. Hast du zum Beispiel gewusst, dass der Nukleus eines Atoms über weniger Masse verfügt als die Summe aller seiner Partikel?«
Travis fing an, Jay zuzustimmen. Sich mit Sparkman zu unterhalten machte Kopfschmerzen. »Aber das erscheint unmöglich. Wo ist die fehlende Masse?«
»Sie fehlt gar nicht«, sagte Sparkman, er lächelte und klatschte in die Hände. »Du musst wissen, wenn man Materie auseinander bricht, entlässt man damit die Kraft, die diese Materie zusammenhält. Die Differenz der Masse ist die potenzielle Energie, die man entlassen würde, wenn der Nukleus zerbrochen wird.« Er nahm die Hände auseinander. »Natürlich kann man nicht nur einen Nukleus zerbrechen. Freie Partikel würden benachbarte Atome treffen und eine Kettenreaktion auslösen. Und wenn diese Reaktion unkontrolliert ist, hat man …«
»… eine Nuklearbombe«, sagte Travis.
Sparkman nickte. »Mindestens. Aber selbst die heutigen Nuklearwaffen erschaffen unvollkommene Kettenreaktionen. Wäre die Reaktion perfekt, könnte sie nichts davon abhalten, die Welt zu zerstören. Oder sogar das Universum.«
Travis verspürte Übelkeit. An dem, was Sparkman gerade gesagt hatte, war etwas überaus wichtig. Aber bevor er die Antwort fand, zerriss ein scharfes statisches Zischen die Stille, gefolgt von Piepen und Klicken.
»Oh, gut«, sagte Sparkman mit leuchtenden Augen. »Da sind sie ja.« Er fummelte an einigen Knöpfen des Metallkastens auf seinem Schoß herum. Die Statik nahm ab, und die Piepser und das Klicken wurden klarer. »Sie waren den ganzen Morgen still. Ich glaubte schon, sie wären weg, aber sie müssen noch immer hier sein.«
Travis schüttelte den Kopf. »Wer muss noch hier sein?«
»Nun, natürlich die Aliens.«
»Die Aliens?«
»Die, die Obdachlose für ihre Experimente entführen.« Sparkman tätschelte den Kasten. »Ich habe dieses
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