Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
macht«, hatte Grace zu Travis und Beltan an diesem Abend gesagt, nach einem Fest im Saal der Festung, eines von einem Dutzend solcher Feste, die König Kel seit ihrem Sieg über den Fahlen König ausgerichtet hatte. »Die einzige Möglichkeit, kein Schicksal zu haben, besteht darin, niemals eine wohldurchdachte Entscheidung zu treffen.«
Vielleicht hatte sie nicht versucht, ihnen zu sagen, was sie tun sollten. Vielleicht aber doch, denn sie hatte Travis etwas in die Hand gedrückt, als sie gegangen war: die Hälfte einer Silbermünze. Aber wie dem auch sein sollte, in dieser Nacht hatten sie eine Entscheidung getroffen.
»Ich glaube nicht, dass Eldh mich noch braucht«, hatte Travis gesagt, als sie auf dem Wehrgang der Festung gestanden hatten.
Beltan war nicht so davon überzeugt gewesen, aber etwas hatte er genau gewusst. »Ich brauche dich, Travis Wilder.«
Travis hatte die Silbermünze in seiner Hand betrachtet. Sie war unversehrt gewesen, auf jeder Seite eine Rune. Eine für Eldh, eine für die Erde. Er hatte aufgeschaut, und seine grauen Augen hatten im Sternenlicht die gleiche Farbe wie die Münze gehabt. »Komm mit mir.«
In der Zeit, in der sie einander gekannt hatten, war so viel geschehen – so viel Schmerz, Trauer und Verwirrung. Das alles war in diesem Augenblick verschwunden, wie Asche im Wind.
»Hast du es noch immer nicht begriffen?«, hatte Beltan gesagt und gelacht. »Ich bin immer bei dir.«
Travis hatte die Münze fest umklammert, und sie hatten sich umarmt, während ein blauer Lichtschimmer sie einhüllte. Und so waren sie zur Erde gekommen.
Beltan zog sachte eine Schreibtischschublade auf und legte den Brief vorsichtig hinein. Dann ging er ins Bad und hinterließ dabei eine Spur aus Kleidungsstücken. Heiße Duschen waren ein Luxus, von dem er nicht länger wusste, wie er jemals ohne ihn überlebt hatte. Wie sollte er jemals wieder mit einer Wanne lauwarmen Wassers zurechtkommen oder, noch schlimmer, mit einem Sprung in einen eiskalten Bach?
Ich wusste, dass diese Welt dich verweichlichen wird, dachte er, als er unter das Wasser trat und nach der Seife griff. Der scharfe, saubere Duft von Lavendel vermengte sich mit dem Dampf. Ah, gut – Travis war endlich in den Body Shop gegangen, wozu Beltan ihn schon lange gedrängt hatte.
Er wusch die tägliche Schicht Abgase und Schweiß ab, dann trat er aus der Dusche. Das Leben auf der Erde hatte ihn nicht so verweichlicht, wie er befürchtet hatte. Sobald klar gewesen war, dass er nicht zur Armee gehen würde, hatte er sich Sorgen gemacht, dass er so schlaff wie viele Krieger werden würde, die das Schwert gegen den Weinpokal eintauschten. Dann hatte er am Ende der Straße einen Ort namens Fitnessstudio entdeckt.
Zuerst hatte er die diversen mechanischen Geräte für Folterinstrumente gehalten. Dann hatte ein junger Mann mit gewaltigen Muskeln Beltan ihre Anwendung gezeigt. Jetzt ging er oft ins Fitnessstudio, und er war sehr zufrieden, dass von seinem einstigen Bierbauch kaum noch etwas zu sehen war.
Er trocknete sich ab, dann ging er mit dem Rasiermesser über die Wangen und ließ eine goldene Stelle am Kinn und einen Strich über den Lippen stehen. Er zog die Klinge dem summenden Ding vor, das Travis ihm am Abend der Wintersonnenwende geschenkt hatte. Sein weißblondes Haar schien weiterhin entschlossen zu sein auszufallen, aber eine Frau in dem Laden neben dem Fitnessstudio hatte es kurz geschnitten und ihm eine Flasche mit etwas namens Mousse gegeben. (Ein weiteres dieser verwirrenden Wörter). Das Mousse ließ sein Haar abstehen, als wäre er gerade aus dem Bett gekommen, aber das schien auf dieser Welt Mode zu sein. Außerdem hatte Travis gesagt, es würde ihm gefallen, und das war alles, was zählte.
Er hob auf dem Weg ins Schlafzimmer die fortgeworfenen Kleidungsstücke auf, tauschte sie gegen eine frische Jeans und T-Shirt und betrat die Küche gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Travis das Abendessen auftrug.
»Das riecht gut«, sagte Beltan. »Was ist das?«
»Wofür hältst du es?«, fragte Travis mit einem bezeichnenden Blick.
Beltan musterte die vollen Schüsseln. »Sieht wie Eintopf aus.«
»Dann nennen wir es doch so.«
Travis behauptete, ein schlechter Koch zu sein, aber Beltan fand alles, was er zubereitete, ausgezeichnet. Andererseits hielt Beltan alles Essen, das nicht zurückbiss, für ausgezeichnet, also hatte Travis vielleicht doch Recht. Beltan aß drei Portionen, aber ihm entging nicht, dass Travis sein
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