Die letzte Rune 11 - Das Blut der Wüste
Malachor zurückzukehren, oder?«
Also hatte er die Wahrheit erkannt – die Wahrheit, die sie wie ein Drache in einem Nebel sogar vor sich selbst verborgen hatte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, ihr Herz pochte quälend. Oder war es vor Aufregung?
»Ich weiß nicht, ob ich zurückkomme, Larad«, sagte sie leise. »Ich weiß es ehrlich nicht.«
Er sagte kein Wort. Endlich war es ihr gelungen, Larad zu überraschen, aber seine Überraschung war bereits verflogen oder zumindest verborgen, und seine Augen blickten wieder hart und unleserlich.
»Dann gute Reise, Euer Majestät.«
Grace fand, dass sie darauf nichts zu erwidern wusste. Sie nickte, ging die Treppe hinunter und verließ den Turm der Runenmagier.
Kurze Zeit später stieg sie neben den Festungstoren auf Shandis. Vier Ritter mit ernsten Gesichtern saßen bereits auf ihren Streitrössern. Es gab keinen Verpflegungswagen, sondern nur ein Packpferd mit den absolut nötigen Dingen, denn Grace hatte vor, schnell zu reiten. Sie zupfte ihr Reitkleid über dem Sattel zurecht, dann seufzte sie. Jetzt kam der schwierigste Abschied von allen.
»Nein, Sir Tarus«, sagte sie, als der rothaarige Ritter den Fuß in den Steigbügel steckte, um aufzusitzen.
Er wandte sich um. »Euer Majestät?«
Sie konnte sich nicht überwinden, die Worte zu sagen, aber seinem entsetzten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, verstand er sofort. Er kam heran, ergriff ihren Rocksaum und schüttelte den Kopf.
»Nein, Euer Majestät.« Seine Stimme brach fast vor Verzweiflung. »Bitte tut mir das nicht an. Befehlt mir nicht zurückzubleiben.«
Sie musste ihre Stimme hart halten, oder sie hätte überhaupt nicht sprechen können. »Ihr müsst es, Sir Tarus. Melia und Falken können dieses Königreich ohne Eure Hilfe nicht regieren.«
Er errötete, aber diesmal aus Trauer und nicht aus Frustration. »Ich bin Euer Seneschall. Ich diene Euch, Euer Majestät.«
»Und so müsst Ihr tun, um was ich Euch bitte«, erwiderte sie und hasste, wie grausam diese Worte klangen.
»Habe ich Euch denn so schlecht gedient, dass Ihr mich zurücklassen müsst?« Er weinte jetzt ganz offen, und um ein Haar hätte Grace ihre Entschlossenheit verloren, denn in diesem Augenblick begriff sie endlich, warum er in den letzten drei Jahren so streng gewesen war, so grimmig und entschlossen.
Er hatte versucht, Durge zu sein.
»Nein, Tarus«, sagte sie, selbst den Tränen nahe. »Ihr habt mir besser gedient als jeder andere. Und darum muss ich Euch um das hier bitten. Für mich. Für Malachor.«
»Und ich habe jeden Grund, mit Euch zu reiten.«
Sie musste an den jungen Runenmagier Alfin denken und trotz ihrer Trauer lächeln. »Ich glaube, Ihr habt einen besseren Grund, um zu bleiben.«
Sie beugte sich nach vorn und gab ihm einen Kuss auf den Scheitel. Dann trieb sie Shandis an, die vier Ritter schlossen sich ihr an, und ohne weitere Abschiedsgrüße oder Fanfarenklang verließ Grace, die Königin von Malachor, ihr Königreich.
16
Sie unterhielt sich auf dem Ritt von Burg Todesfaust zum Königinnenweg nur wenig mit den Rittern, die sie begleiteten. Als sie Tarus die Namen der Krieger gegeben hatte, die sie als Gefolge wünschte, hatte sie absichtlich die wortkargsten ausgesucht; auf dieser Reise hatte sie keine Lust auf Plaudereien.
Sie wollte nur so schnell wie möglich reiten, Sareth finden und sich von ihm zu Hadrian Farr bringen lassen. Nicht, weil sie den Sucher sehen wollte – allerdings musste sie zugeben, dass die Vorstellung, ihn wiederzusehen, ein seltsames Kribbeln in ihr verursachte, das sie nicht richtig analysieren konnte. Aus einem ihr unbekannten Grund versuchte sie immer wieder, ihn sich vorzustellen, aber alles, was sie sah, waren seine Augen: dunkel, geheimnisvoll, zwingend. Nicht, dass das eine Rolle gespielt hätte. Allein eines war wichtig: Farr konnte sie nach Morindu der Finsteren führen. Und wenn sie Morindu fand, dann würde sie auch Travis finden – davon war sie überzeugt.
Das Wetter war schön und klar, und an diesem ersten Tag kamen sie gut voran. In den letzten Jahren hatten embarranische Baumeister auf dem Königinnenweg geschuftet, umgestürzte Bäume entfernt, gesprungene Pflastersteine ersetzt und Brücken gestützt. Bei Einbruch der Nacht hatten sie fast die zehn Meilen des Königinnenwegs hinter sich gelassen, die die Embarraner instand gesetzt hatten. Sie befanden sich jetzt tief im Winterwald, und als das letzte Sonnenlicht durch die Äste der
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