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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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gründen. Danach warf sich Dido auf einen Begräbnisscheiterhaufen, was ich schrecklich und aufregend zugleich fand.
    Ich lernte Schreiben, und auch wenn ich mich zuerst ungeschickt anstellte, verbesserte ich mich so schnell, dass Pietro verkündete, ich sei von den Göttern gesegnet. Bald fing ich auch an zu malen und spielte auf dem Cembalo, und ich war in beidem gut, denn meine Finger waren lang und beweglich, und wenn ich mir etwas in Gedanken vorstellte, schien es keine Mühe zu bereiten, meine Hände dazu zu bewegen, es zu erschaffen.
    Den Master sah ich regelmäßig, wenn auch nicht oft. Für gewöhnlich vergingen einige Tage, und ich sah ihn nur selten im Haus oder auch überhaupt nicht. Dann, am dritten oder vierten Abend, nachdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, befahl er mich in seine Bibliothek und fragte mich, was ich seit unserer letzten Begegnung gelernt hatte.
    »Ich habe gelernt, dass es besser ist zu sterben als das zu verlieren, was man am meisten liebt«, sagte ich eines Abends. Das war zu der Zeit, in der ich gerade das Aeneaslied las.
    Er hob eine dunkle Augenbraue. »Und wer hat dir das beigebracht?«
    »Königin Dido«, sagte ich aufgeregt, denn ich war besessen von ihrer Geschichte und tat nichts lieber, als davon zu erzählen. »Der Krieger Aeneas verließ sie, gerufen von den Göttern, und statt ohne ihn weiterzuleben, warf sie sich in die Flammen und erstach sich selbst unter den Augen ihres Volkes mit einem Messer. Da war viel Blut, und dann verbrannte sie.« Ich sparte nie an den blutigen Einzelheiten und neigte sogar dazu, sie in meinen Erzählungen auszuschmücken.
    In seinen goldenen Augen lag ein nachdenklicher Blick. »Ich verstehe. Und glaubst du nicht, dass Königin Dido dumm gehandelt hat? Hätte sie nicht gut daran getan, weiterzuleben und ihr Volk zu führen?«
    Ich kaute auf der Unterlippe herum und dachte darüber nach, wie ich das beantworten sollte. Seine Worte erschienen weise. Warum hätte Dido nicht weiterleben sollen? Sie war eine Königin. »Es scheint einfach richtig zu sein, was sie getan hat«, sagte ich schließlich, unsicher, wie ich es erklären sollte. »Es war trauriger so. Und schöner.«
    Zu meinem Erstaunen lachte er – ein tiefer, hallender Laut. »Mach weiter mit deinen Studien, James«, sagte er, und unsere Zusammenkunft war beendet.
    Als der Frühling zum Sommer wurde, wuchs in mir die Entschlossenheit zu erfahren, wohin der Master in den Tagen zwischen unseren Begegnungen reiste und was er tat. Ich wusste, dass er meistens nach Edinburgh fuhr, immer spät am Tag, um dann am nächsten Morgen zurückzukehren. Den dürftigen Brosamen, die Pietro fallen ließ, entnahm ich, dass den Master Geschäfte in die Stadt führten – aber was das für Geschäfte waren, konnte mein junger Verstand nicht erraten.
    Bei anderen Gelegenheiten nahm er sein Pferd und ritt über seinen Besitz, und wir bekamen ihn dann für den Rest des Tages nicht mehr zu sehen, ganz egal, ob das Wetter nun schön oder schlecht war. Nach Mitternacht weckte mich dann das Geklapper von Hufen im Hof, und wenn ich aus dem Fenster schaute, sah ich Pietro herbeihinken und die Zügel in Empfang nehmen. Er marschierte mit wehendem schwarzem Umhang ins Haus, und manchmal hatte ich den Eindruck, dass er etwas in den Armen hielt. Einmal schaute er nach oben, seine goldenen Augen richteten sich auf das Fenster, durch das ich schaute, und ich sprang mit klopfendem Herzen schnell zurück in mein Bett.
    An den Tagen, an denen er das Haus nicht verließ, schloss sich der Master meistens in seiner Bibliothek ein. Gewöhnlich war er allein, aber manchmal kamen Reiter, deren Mäntel schlammbespritzt waren und die mit Wachs versiegelte Papiere brachten, und Pietro führte sie auf schnellstem Weg in die Bibliothek. Kurz darauf brachen sie mit neuen Papieren wieder auf, verschlossen mit dem Siegel des Masters. Ich hatte keine Ahnung, was dort geschrieben stand, aber ich hätte alles dafür gegeben, meine neuen Lesekünste daran auszuprobieren.
    Es war am Tag der Sommersonnenwende – an dem das einfache Volk der Dörfer und Höfe hinaus auf die Hügel zog, zu den alten Menhiren, um vergessenen Göttern von der ersten Ernte des Jahres zu opfern –, da kamen die Besucher nach Madstone Hall. Sie trafen in dem Augenblick ein, in dem die Sonne den westlichen Horizont berührte, in einer schwarz glänzenden Kutsche, die von prächtigen Pferden gezogen wurde. Drei Gestalten stiegen aus, alle schwarz

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