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Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Rune 12 - Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Mark
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vermummt. Eine war schmaler als die anderen und trug einen Schleier statt Kapuze, also nahm ich an, dass sich unter der verhüllenden Kleidung eine Frau befand.
    Ich ging davon aus, dass man für solch offensichtlich wichtige Gäste ein Fest ausrichten würde, aber dann sagte mir Pietro, dass man den Dienern befohlen hatte, in ihren Quartieren zu bleiben, und dass auch ich auf meinem Zimmer zu bleiben hatte. Aber er schien zu beschäftigt zu sein, um mich selbst zu meinem Zimmer zu führen, und so schlich ich zurück nach unten und versteckte mich in der Halle, in der Ecke hinter einem Stuhl. Schon als Kind war es mir leicht gefallen, mit den Schatten zu verschmelzen und ungesehen zu bleiben, und mein Geschick hatte durch meinen Aufenthalt im Haus nicht gelitten, denn Pietro ging direkt an mir vorbei, um die Tür zur Bibliothek des Masters zu öffnen.
    »Sie sind da«, verkündete er.
    »Schick sie rein, Pietro«, sagte die tiefe Stimme des Masters. »Ich schätze, es ist sinnlos, es hinauszögern zu wollen.«
    Im nächsten Augenblick betraten drei dunkle Gestalten die Halle. Ich machte mich in den Schatten hinter dem Stuhl ganz klein, als sie näher kamen, denn in mir wuchs die Gewissheit, dass ich von diesen Besuchern auf keinen Fall gesehen werden wollte. Da war etwas an ihnen – nichts Bösartiges, aber ein Hauch von Gefahr –, das mir einen Schauder über den Rücken jagte. Ich biss mir auf die Lippe, nur um keinen Laut von mir zu geben.
    Sie befanden sich auf der Höhe des Stuhls, hinter dem ich mich verbarg, da blieb die Zierliche unter ihnen stehen. Sie drehte den verschleierten Kopf erst in die eine und dann die andere Richtung, und ich fühlte, wie sich die Härchen auf meinen Armen aufrichteten. Unter dem schwarzen Schleier sah ich es golden funkeln. Ihr Blick glitt über den Stuhl …
     … und bewegte sich weiter. Die drei betraten die Bibliothek. Pietro schloss die Tür. Er führte eine zitternde Hand an die Stirn, dann schlurfte er durch die Halle und verschwand. Sobald er außer Sicht war, schoss ich wie ein Hase, der einen Fuchs gesehen hatte – oder vielmehr die Füchse – aus meinem Versteck hervor die Treppe hinauf. Ich verbrachte den Rest des Abends in meinem Zimmer, und als ich das Geräusch von Hufen und Kutschenrädern hörte, schaute ich nicht aus dem Fenster.
    Auch wenn die Neugier in mir brannte, sprachen weder Pietro noch der Meister am nächsten Tag von den Besuchern, und ich wagte es nicht, nach ihnen zu fragen. Ich versuchte mich auf meine Studien zu konzentrieren, aber im Verlauf der Stunden wurde es immer schwieriger, sich auf die Bücher und Tinte und Federkiele zu konzentrieren. Würde der Meister mir denn nie etwas verraten?
    Dank meines verdrossenen Seufzens und der Unfähigkeit, irgendwelche vernünftige Arbeit zu verrichten, entließ mich Pietro früher als sonst. Er warf mir einen scharfen Blick zu, aber ich ignorierte ihn und ging auf mein Zimmer. Ich verspürte eine Bitterkeit und Einsamkeit, wie ich sie nicht mehr erlebt hatte, seit mich der Master von den Straßen von Edinburgh geholt und hergebracht hatte. Warum hatte er mir nie seine Absichten verraten?
    Aber vielleicht lagen seinen Handlungen ja gar keine großartigen Absichten zugrunde. Während ich vor dem Fenster auf und ab marschierte, wurde ich mir zusehends sicherer, dass genau das der Fall war. Ich war einfach bloß ein Ding für ihn: ein hübscher Gegenstand wie jene, die er für den Kaminsims in seiner Bibliothek gesammelt hatte.
    Ich betrachtete mein Bild im Spiegel. Sämtliche Spuren der Prellungen und Abschürfungen von meinen Tagen auf der Straße waren verschwunden. Mein goldenes Haar umrahmte ein Gesicht, das fast so blass und fein geschnitten wie das einer Frau war, aber die ersten Anzeichen der harten, rechteckigen Züge eines Mannes aufwiesen, und ich wusste mit einer gelassenen Gleichgültigkeit, dass ich schön war.
    »Wenn ich ein Gegenstand für ihn bin«, murmelte ich zu dem Spiegel, »dann ist es lange überfällig, dass er mich benutzt.«
    Es hätte mir nichts ausgemacht. Der Master sah zwar nicht gut aus – sein Gesicht war zu ernst, zu grob und zu kantig –, aber er war groß und stark, und ich hatte mich auf der Straße an viel Schlimmere verkauft. Ich schlich mich in sein Zimmer und schlüpfte nackt in sein Bett, ließ mich von seinem ausgeprägten Duft einhüllen. In mir stieg Wärme auf, und ich schlief ein.
    »Nein, James, das ist nicht, was ich von dir wünsche«, sagte eine

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