Die letzte Schlacht
doch sie richteten sich immer wieder auf und marschierten weiter. Gesternische und atreskanische Legionäre mit verfaulten Gesichtern und zerfetzter Kleidung, rostenden Rüstungen und großen Wunden rappelten sich wieder auf und setzten ihren Marsch fort. Davarov schauderte. Selbst aus dieser Entfernung konnte er in den Brustkörben und Bäuchen der Kämpfer Löcher erkennen, die so groß waren wie sein Kopf. Viele schleppten die Schlingen ihrer Eingeweide hinter sich her und stolperten darüber.
Die Katapulte schossen das Pulver ab.
Aller Augen folgten der Flugbahn, vorübergehend hielten die Verteidiger inne. Auch Davarov wartete voller Spannung. Die Toten kamen. Noch dreihundert Schritte, und sie näherten sich rasch. In den hinteren Reihen kamen die ersten Netze herunter. Die Toten fielen wie das Getreide unter einer mächtigen Sichel, als nach dem Aufprall die Steinsplitter flogen. Viele der wandelnden Toten wurden zerstückelt. Fünfzig, hundert oder sogar mehr. Es war unmöglich zu erkennen. Einen Augenblick später hörten die Verteidiger auch die Explosionen. Davarov zog unwillkürlich den Kopf ein, als Steinsplitter gegen die Juwelenmauer prasselten.
Netz auf Netz fiel in die Reihen der Gegner. Nur ein einziges verfehlte das Ziel. Die übrigen landeten inmitten der feindlichen Truppen, und sofort stiegen Rauch, Asche, Flammen und Staub auf. Das Blut strömte auf den Boden, und die verstümmelten Toten blieben liegen. In einem Bereich von vierhundert Schritten lagen überall Trümmer. Dort taumelten nur noch einige zerfetzte Tote umher, die kaum mehr als Menschen zu erkennen waren. Einer bewegte sich immer noch, obwohl die Hälfte seines Körpers von der Schulter bis zur Hüfte fehlte.
Mitten in diesem Bereich der Zerstörung entstand ein gespenstisches Wehklagen. Die Schreie der brennenden Toten, die nun am Ende erkannten, welches Schicksal sie erwartete. Einige wanden sich noch auf dem Boden. Leichenteile waren Hunderte Schritte weit in alle Richtungen verstreut.
Dennoch rückten sie im Süden an den Gawbergen und im Norden am See weiter vor. Ohne Furcht und ohne Unterlass. Davarov fluchte.
»Ihren Willen können wir nicht brechen«, sagte Roberto. »Wir können sie nur einen nach dem anderen vernichten.«
Davarov nickte.
»Dreht die Katapulte und nehmt die Marschierenden unter Beschuss. Feuer frei.«
Die Toten marschierten mit Bogen, Leitern und Speeren. Bald würden sie die Mauern erreichen. So weit durfte es nicht kommen.
Kessian saß in einem stillen Teil der Lichtung im Sonnenschein. Er konnte alle spüren, die seinem Befehl unterstanden. Seine Soldaten. Die Untertanen seines Vaters, die dieser ihm anvertraut hatte. Er wollte Gorian nicht enttäuschen, wie er es beinahe schon einmal getan hätte. Da war er in Panik geraten, wie er inzwischen wusste. Seine Männer hatten nicht getan, was er von ihnen verlangt hatte. Viele waren gefallen, und er hatte auch Geschütze verloren. Vater war sehr wütend geworden, hatte das Kommando übernommen und den Kampf gewonnen.
Es war so leicht wie mit seinem Spielzeug. Das tat immer, was er wollte. Vater hatte ihm erklärt, es sei genau das Gleiche, und dieses Mal würde er sie genau das tun lassen, was er wollte, und nichts anderes. In seinem Geist erschien das Werk als helle, wunderschöne Lichtkugel. Sie zischte und tanzte und war warm. Tausende von Linien gingen von ihr aus, zogen sich durch den Boden und erreichten so den Körper jedes einzelnen Kämpfers. Viertausend waren es, hatte sein Vater gesagt. Mehr oder weniger.
»Marschiert«, sagte er.
Sie gehorchten. Es war einfacher, wenn er den Rhythmus mit Händeklatschen vorgab. Sie folgten und bewegten die Füße. Er blickte durch alle ihre Augen zugleich und hatte eine prächtige Übersicht. Voraus konnte er die Linien der feindlichen Soldaten betrachten. Sie standen mit erhobenen Schilden vor ihm und warteten. Sie hatten auch Onager und Bailisten. Spielzeug, das er umwerfen konnte.
Kessian würde seine Männer mitten hineinschicken und diese Leute zu seinem Vater bringen, damit sie sehen konnten, was jeder sehen sollte. Er lächelte. Seine Mutter wäre stolz auf ihn, wenn sie ihn jetzt beobachten könnte.
Kessians Soldaten marschierten zielstrebig. Seine Geschütze fuhren in Reichweite. Droben verfinsterte sich der Himmel zusehends, und er hörte auch den Wind heulen. Die Feinde waren nahe. Der Herr der Toten im Zentrum seiner Männer hielt sie in der Marschordnung, doch Kessian selbst
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