Die letzte Schlacht
Fallt nicht auf den Boden, wenn uns dieses Ding trifft. Da unten ist der Tod. Hier oben können wir vielleicht überleben.«
»Es ist, wie die Prophezeiung es sagt«, erwiderte Harban. »Er wird die Berge beben und die Welt einstürzen lassen. Er und sein Nachkomme.«
»Das mag ja richtig sein, aber im Augenblick müssen wir zuerst einmal überleben«, gab Roberto zurück. »Sagt es allen, die bereit sind, euch zuzuhören. Wenn ihr überleben wollt, dann haltet euch am Stein fest.«
Sie mussten die Menschen nicht zur Mauer rufen. Eine wahre Flut von Soldaten und Zivilisten rannte schon die Rampen hinauf. Dennoch gaben die Flaggenmänner den Befehl weiter, auf die Mauern zu steigen. Auch Davarov, der mit seinem Organ das Getöse mühelos übertönen konnte, rief die Leute herauf. Jeden in Hörweite brüllte er an, sich irgendwie an der Barriere festzuhalten – an den Klammern für die Fackeln, an den Seilen, die an den Zinnen hingen, oder sie sollten Menschenketten bilden. Egal was.
Roberto sah sich rasch um, wie er sich selbst am besten wappnen konnte. An der vorderen Brustwehr standen zwei mit einem Netz gesicherte Kisten. Er lief hinüber. Abermals erbebte die Festung, und er fiel flach auf den Bauch. Hinter ihm rollten auf dem Flachdach die Steine umher, die als Geschosse für die Onager bereitlagen. Pechfässer kippten um, die Flammen breiteten sich auf dem Zement aus. Verletzte kreischten und brachen abrupt wieder ab. Das Netz und sein Inhalt hatten sich nicht bewegt. Das sollte ausreichen.
Roberto kroch hinüber, packte das Netz und tastete mit der anderen Hand nach dem Schwertgurt. Als das Beben einen Moment nachließ, führte Roberto den Gürtel durchs Netz und zog ihn fest, bis er mit dem Rücken vor den Kisten saß. Dann blickte er nach links. Davarov hatte die riesigen Arme um einen Fackelhalter geschlungen und zusätzlich ein Seil um seine Hüften gebunden. Er lächelte.
»He, Roberto!«, rief er. »Das ist mal eine nette Idee. Da rollt eine Erdwelle auf uns zu, und du bindest dich am brisantesten Sprengpulver fest, das die Konkordanz hat.«
Irgendwo in Roberto brach ein Damm. Der tiefe Brunnen seines Kummers trocknete aus, und alle Schwierigkeiten und Ängste verflogen für einen kleinen Augenblick, nur ein paar Herzschläge lang. Er brüllte vor Lachen, klopfte auf die Kisten und musste laut rufen, um das Grollen der Welle und das Knirschen der Steine in den Mauern zu übertönen.
»He, Davarov! Wir sehen uns auf der anderen Seite. Weißt du was! . Wenn wir überleben, dann kommen uns diese hübschen kleinen Dinger vielleicht gerade recht.«
Roberto konnte die linke Seite der Festung und das Gelände dahinter überblicken. Nach ein paar Augenblicken blieb ihm das Lachen im Halse stecken, und er betete für die Zyklen der Menschen, die gleich sterben würden. Da unten bildete sich eine brodelnde Menschenmasse, nachdem die Flucht ins Stocken gekommen war. Die großen Tore waren geschlossen, denn die Festung konnte die Welle mit geschlossenen Toren besser überstehen. Die Menschen hämmerten hilflos gegen das Holz. Viel zu viele, für die es keine Rettung mehr gab, drängten sich dort unten.
Immer noch eilten sie die Rampen hinauf, behinderten sich jedoch gegenseitig und kamen kaum voran. Mit Händen und Füßen kämpften sie sich aufwärts. Männer und Frauen stürzten hinab und fielen auf die Köpfe der anderen, die an den Wänden einen Halt gesucht hatten und nicht hoffen konnten, weiter hinaufzusteigen.
Das Dach der Festung füllte sich. Die Legionäre verhielten sich nun wie ihre Ingenieure und klammerten sich an alles, was sie finden konnten. Sie halfen sich gegenseitig, ein frischer Rekrut und ein Veteran der Triarii umarmten einander und hielten sich gegenseitig fest. Verzweifelt packten sie Rüstungen und Gürtel. Immer mehr Menschen strömten aufs Dach, und im Durcheinander der Gliedmaßen und Gesichter, die sich links und rechts um ihn drängten und ans Netz klammerten, erkannte Roberto ein vertrautes Gesicht.
»Julius!« Wie durch ein Wunder hörte es der Sprecher und drehte sich um. Er riss den Mund auf und drängte sich bis zu Roberto durch. »Haltet Euch hier fest. Gut festhalten.«
»Ich bin überrascht, dass Ihr Euch um mein Überleben sorgt.«
»Wie ich schon sagte, wir müssen alle überleben. Sogar verdammte Idioten wie Ihr.«
Barias grinste kurz und packte das Netz, an dem schon zahlreiche Leute hingen. Roberto hoffte, dass es stark genug war, um sie alle zu
Weitere Kostenlose Bücher