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Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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hinauf. Die Leinwand löste sich binnen weniger Augenblicke völlig auf. Alles, was der Schimmel und das Moos berührten, zerfiel schlagartig. Schiffe sanken und gingen unter. Das Quietschen der verbogenen Nägel im Holz hallte laut durch den Hafen.
    Vereinzelt wurden Jubelrufe laut, doch Iliev glaubte noch nicht an den Sieg.
    »Das ist eine Waffe. Zurück. Weicht schnell zurück.«
    Er blickte nach links. Ein Toter streckte die Hand aus und ergriff den Arm eines abgelenkten Legionärs. Schimmel und Seuche ergossen sich über den Kämpfer, hüllten ihn ein. Er schrie, bis die üble grün-braune Masse den Mund, die Augen und seine Brust bedeckte. Dann wandte er sich gegen seine Freunde.
    »Weg hier, weg!«, rief Iliev und drängte die Kämpfer zur Festung zurück. »Lasst euch nicht berühren.«
    Iliev bekam Angst, möglicherweise zum ersten Mal überhaupt im Leben. Es war ein hässliches, ungemütliches Gefühl. Legionäre starben an der wuchernden Seuche. Die Mole leerte sich, denn wer den neuen Angriff beobachtet hatte, wartete nicht, um herauszufinden, was sich dagegen tun ließ. Die Panik breitete sich schneller aus als der Schimmel. Kopflos rannten die Menschen durch die Höfe und über die Straßen. Die Laute der kämpfenden und sterbenden Menschen wichen den schrillen Tönen der Angst und dem Trappeln Tausender Füße.
    Das Siebte Kommando rannte in den Hof der Festung und dann die Rampe zum Dach hinauf. Iliev folgte als Letzter und brüllte die verschüchterten Wächter an, sofort die Tore zu schließen. Sie kamen dem Befehl nur zu gern nach. Die Ocenii schwärmten auf dem Dach aus. Die Geschütze hatten längst das Feuer eingestellt. Iliev fand Vasselis und Stertius an der Seite, wo sie den Hafen überblicken konnten. An der Mauer drängten sich Ingenieure und Wächter, alle sprachlos. Niemand begrüßte ihn.
    Es war eine Szene, wie sie sich nur die Künstler des Ordens für eine Welt ausmalen konnten, die aus der Gnade des Allwissenden gefallen war. Das Hafenbecken war inzwischen nur noch ein schlammiger Tümpel voller verfaulter Balken und Algen, die langsam durch die Hafeneinfahrt nach draußen trieben. Von allem, was die Krankheit inzwischen erfasst hatte, stiegen Sporen wie ein feiner Nebel auf.
    Immer noch zogen sich Tote an den Leitern empor und gesellten sich zu den anderen, bis Aberhunderte völlig unbehelligt herumstanden. Dort unten konnte sie kein Geschütz erreichen. Vor ihren Füßen griff der Schimmel langsam um sich, war ihnen aber nie allzu weit voraus. Nur eine Sarisse wäre jetzt noch lang genug gewesen, um die Toten zu treffen. Sie verließen die ungesund grün gefärbte Mole. Der Bewuchs bedeckte das Pflaster, wuchs in den Rissen und streckte die ersten Finger nach der Festung aus.
    Die Lebenden rannten vor den Toten davon, ohne zu wissen, wo sie Schutz finden sollten. Am Nordtor und Südtor wehten Flaggen. Beide Tore waren durchbrochen, was Iliev nicht weiter überraschte. Zivilisten und Soldaten zogen sich vor den Toten zurück, weil sie gegen diesen Feind nicht bestehen konnten. Die Schlacht war so gut wie verloren.
    »Wir müssen zum Palast«, sagte Vasselis.
    Iliev wandte sich an ihn und bemerkte jetzt erst das Papier, das der Marschallverteidiger in der Hand hielt. »Warum?«
    »Weil die jungen Aufgestiegenen dort sind. Hesther sagt, sie haben einen Plan.«
    »Es gibt kein Entkommen«, sagte Stertius. Er deutete zu den Verunreinigungen auf der Mole. »Wer das berührt, ist dahin.«
    Kashilli war schon zur Mauer auf der Seeseite unterwegs. Iliev bemerkte es und winkte Vasselis und Stertius, das Siebte Kommando zu begleiten.
    »Wie gut, dass ich ein Boot dabeihabe, was?«

 
30

    859. Zyklus Gottes,
    12. Tag des Genasab
     
    G leichmäßig vierzig Schlag, Ocenii. Als wolltet ihr die Flut überholen.«
    Ilievs Befehl übertönte die kräftigen Schläge der Ruderer auf dem Korsaren des Siebten Kommandos. Die Matrosen ruderten harmonisch und zugleich mit verzweifelter Hast. Sie hatten das Boot von der Festung abgestoßen, im freien Wasser einen schmalen Vorsprung umrundet und fuhren nun mit Höchstgeschwindigkeit zum Strand im Süden, wo die Toten gelandet waren. Dort konnte man keine große Invasionstruppe an Land bringen, aber für eine kleine Streitmacht reichte der Platz aus. An Bord der zwölf Schiffe, die mit Schlagseite vor dem Ufer lagen, bewegte sich kein Mensch. Die Laufplanken waren leer, die Decks verlassen. Träge flappten die Segel in der sanften Brise. Der Sand und die

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