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Die Letzte Spur

Die Letzte Spur

Titel: Die Letzte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ging weiter.
    Still und leer lag der obere Flur vor ihr. Vier Türen zweigten ab: zum Bad, zum Schlafzimmer, zu Kens einstigem Büro, das Marina in ein Gästezimmer umgestaltet hatte, und zu ihrem eigenen Arbeitszimmer. Dessen Tür befand sich direkt gegenüber der Treppe und war, im Unterschied zu den anderen Türen, nur angelehnt.
    Hatte sie selbst die Tür am Morgen offen gelassen? War sie überhaupt im Arbeitszimmer gewesen? Sie wusste es nicht, und es schien auch sinnlos, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Die Tür war halb offen, und das konnte an ihr liegen oder an irgendeinem anderen Umstand, und sie würde das jetzt herausfinden und nicht noch länger voller Angst hier am oberen Ende der Treppe verharren.
    Sie holte tief Luft, richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und marschierte entschlossen den Gang entlang, stieß die Tür zu ihrem Arbeitszimmer auf und griff gleichzeitig zum Lichtschalter an der Wand. Sofort warf die Deckenlampe ihr strahlend helles Licht über den ganzen Raum.
    Marina war trotz ihrer Angst überzeugt gewesen, niemanden anzutreffen. Letztlich war die Vorstellung, jemand könne in ihrem Haus herumlungern, einfach zu absurd.
    Zu ihrem Entsetzen stand jedoch ein Mann mitten im Zimmer. Direkt unter der Lampe. Er blinzelte geblendet und starrte sie ebenso fassungslos an wie sie ihn.
    Ein oder zwei Sekunden standen sie einander gegenüber. Marina realisierte, dass der Mann sehr groß und sehr jung war und ihr wahrscheinlich an körperlicher Kraft überlegen. Sie öffnete den Mund, um zu schreien, aber gerade da machte der junge Mann einen Schritt auf sie zu und sagte: »Nicht! Bitte nicht schreien!« In seinen Augen flackerte Angst. Seine Stimme bebte.
    »Was, zum Teufel …«, begann Marina, heiser vor Furcht und noch immer völlig perplex über der Erkenntnis, dass sich tatsächlich jemand während ihrer Abwesenheit in ihre Räume geschlichen hatte. So etwas passierte in Büchern. In Filmen. Nicht im wirklichen Leben.
    Quatsch. Wieso nicht im wirklichen Leben? Neulich erst hatte sie gelesen, dass allein in Großbritannien alle zwei Minuten in ein Haus eingebrochen wurde. Es war wie mit Krankheiten, Unfällen und anderen Schicksalsschlägen: Man dachte stets, es träfe nur die anderen.
    »Ich … die Tür war offen …«, sagte der Junge hastig. Sehr viel älter als ein Junge war ihr Gegenüber nämlich nicht, das begriff Marina nach und nach, jetzt, da sich die erste Panik legte.
    »Die Tür war offen? Und da spazierst du einfach in ein wildfremdes Haus hinein? Das kann doch wohl nicht wahr sein!«
    »Mir war so kalt.«
    »Warst du heute früh in der Garage?«, fragte Marina.
    Er nickte. »Ja. Aber irgendwann habe ich dort so gefroren, da bin ich um das Haus herum und habe geschaut, ob ich irgendwo hineinkomme. Na ja, und die Küchentür …«
    »Du bist von zu Hause ausgerissen«, stellte Marina fest, »und ausgerechnet bei mir versteckst du dich. Hör zu, ich möchte jetzt wissen, wer …«
    Er unterbrach sie. »Sind Sie Marina Dowling?«
    »Ja. Aber …«
    Er unterbrach sie erneut. Seine Augen saugten sich förmlich an ihr fest, und er sagte: »Ich bin Robert Hamilton. Ich bin Ihr Sohn.«
    7
     
    Der Anruf erreichte Rosanna, als sie und Marc sich bereits wieder auf den Rückweg nach London gemacht hatten. Es war später Nachmittag, und die Dämmerung legte sich über das Land. Sie waren in der Gegend von Langbury herumgefahren, hatten immer wieder Halt gemacht, waren durch Dörfer geschlendert, hatten sich umgesehen, als ob es eine Chance gäbe, der Gesuchten durch Zufall zu begegnen, und hatten versucht, mit zwei Dingen fertigzuwerden: mit der Tatsache, dass sie Elaine verpasst hatten, dass ihre eifrige, hektische Suche ins Nichts gelaufen war und dass es so aussah, als müssten sie endgültig aufgeben und sich mit einem auf ewig ungeklärten Fall abfinden. Zudem mussten sie auf irgendeine Weise mit den Gefühlen umgehen, die sie im anderen geweckt hatten und die am Strand offenbar geworden waren. Sie hatten kein einziges Mal mehr über das Geschehene gesprochen. Rosanna hatte Angst vor dem Moment, da dies passieren würde. Sie presste ihr Gesicht an die Fensterscheibe und sah hinaus in die vorüberrauschende, winterkahle Landschaft. Eines stand für sie fest: Sie durfte Marc Reeve nicht wiedersehen. Und sie musste so rasch wie möglich zurück nach Gibraltar. Dort war ihr Platz, und dort wurde sie gerade jetzt gebraucht. Elaine und ihr Schicksal waren Vergangenheit, ein

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