Die Letzte Spur
…«
»Darf ich dich erinnern, worin dein Auftrag besteht? Mir scheint, das vergisst du immer wieder. Du schreibst eine Serie für mich. Es geht dabei um Elaine Dawson, aber auch um etliche andere verschwundene Personen. Und du hast dich ausschließlich mit dem zu beschäftigen, was damals passiert ist. Verstehst du? Du führst, verdammt noch mal, keinerlei Ermittlungen in der Frage, was aus Elaine Dawson geworden ist. Das ist nicht dein Job! « Er war erneut sehr laut geworden.
»Nick, Mr. Cadwick hat sich nun einmal an mich gewandt und …«
»Na und? Deshalb musst du gleich losziehen und Detektiv spielen? Wann willst du eigentlich, zum Beispiel, die Arbeit machen, für die ich dich bezahle, und dich endlich auf deinen Hintern setzen und die Artikel schreiben?«
»Du bekommst deine Artikel, Nick. Pünktlich. Aber jetzt ist Wochenende, und ich unternehme einen Ausflug nach Northumberland, und du kannst mir das nicht verbieten.«
»Das kann ja wohl alles nicht wahr sein!«
»Ja, willst du denn nicht wissen, ob die Frau, von der Cadwick spricht, wirklich unsere Elaine Dawson ist?«
»Klar will ich das wissen. Und wenn sie es ist, will ich die Story. Aber ich hätte einen meiner Reporter dorthin geschickt. Jemanden, der genau von dieser Art Recherche etwas versteht. Und nicht eine ehemalige Journalistin, die seit fünf Jahren nicht mehr im Geschäft ist!«
Jetzt wurde auch Rosanna wütend. »Wenn du meinst, dass ich nicht schreiben kann, hättest du mich nicht engagieren sollen«, blaffte sie.
»Du kannst schreiben, aber du bist nicht der Typ für diese Art von Journalismus!«
»Ich werde Cadwick aufsuchen, Nick, ob du es willst oder nicht!«
»Sag mir seine Adresse!«
»Nein.«
Nick fluchte lange und laut. Dann – weil er ein Mann war, der nicht gern verlor, der aber erkannte, wenn er verloren hatte – fügte er hinzu: »Du hältst mich über jeden deiner Schritte auf dem Laufenden, verstanden? Es passiert nichts, wovon ich nichts weiß. Ich drehe dir sonst den Hals um, wenn ich dich erwische, verlass dich drauf!«
Er knallte den Hörer auf die Gabel.
»Er ist ganz schön wütend«, sagte Rosanna.
Marc warf ihr einen kurzen Blick zu. »Möchten Sie lieber umkehren?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Auf keinen Fall.«
»Sie haben nicht erwähnt, dass ich bei Ihnen bin«, sagte Marc.
»Es hätte ihn noch aggressiver gemacht. Er hätte es als Verschwörung gesehen. Er ist ohnehin wütend genug, weil ich ihm zu Anfang über unsere Treffen nichts gesagt habe.«
»Ihm entgleitet die Kontrolle. Wer hat das schon gern?«
»Damit hätte er bei mir rechnen müssen«, sagte Rosanna, »ich lasse mich nicht kontrollieren, und er kennt mich schließlich schon länger.«
Ihr Handy läutete erneut. Sie blickte auf das Display, und ihr entfuhr ein Stöhnen.
»Wie aufs Stichwort«, sagte sie, »Kontrolle. Es ist mein Mann.«
Sie hatte seit dem Streit neulich von Dennis nichts mehr gehört, und sie war voller Unruhe deswegen gewesen, aber sie wünschte doch, er würde sich nicht gerade jetzt melden. Es war nicht der Moment, eine lange und emotionsgeladene Diskussion mit ihm zu führen.
Dennoch nahm sie den Anruf an.
Aber es war Dennis nicht, wie sie gefürchtet hatte, an einem Grundsatzgespräch gelegen.
Er war aufgeregt, fast aufgelöst, schien es ihr. Er teilte ihr mit, dass Robert verschwunden war.
Und fragte, wann sie unter diesen Umständen nach Hause zu kommen gedenke.
8
Im Pflegeheim roch es nach einem scharfen Putzmittel, dem in aufdringlicher Menge Zitronenaroma beigemischt war. Die Sonne fiel durch die blank geputzten Fenster und ließ die bunten, von Patienten gemalten und recht unbeholfen erscheinenden Bilder an den Wänden hell aufleuchten. Cedric hatte noch nie so saubere Fenster gesehen. Ohne einen einzigen Fleck, einen einzigen Streifen. Er dachte an seine staubigen Scheiben in New York, die praktisch blind wurden, wenn die Sonne tief stand. Seltsamerweise empfand er seine vergammelte Wohnung, vor deren Dreck und Unordnung er manchmal geflüchtet war, weil er keine Lust zum Putzen gehabt hatte, plötzlich nicht mehr als bedrückend. Weit weniger bedrückend jedenfalls als diese fast gewalttätig anmutende Sauberkeit hier.
Wie kann Geoff hier atmen?, fragte er sich, um sich im nächsten Moment die ebenso einfache wie grausame Antwort zu geben: Weil ihm nichts anderes übrig bleibt. Weil er keine Wahl hat.
Er hatte eigentlich nicht hierher nach Taunton kommen wollen, um keinen
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