Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
Essen im Kibbuz zugenießen und mit anderen jungen Amis zu Technoversionen von Hava Nagila zu feiern. Meist verbanden sie den Aufenthalt mit einem Kurztrip nach Ägypten oder Jordanien, und dann fuhren sie wieder zurück in ihre Kleinstädte in Florida oder Connecticut und fühlten sich jüdischer als je zuvor.
Assaf musste bei dem Gedanken an all die gutgläubigen Amerikaner grinsen, deren Geld in Israel höchst willkommen war. An Jérôme gerichtet, sagte er: »Okay, du kannst gehen. Aber halte dich bitte zur Verfügung, wenn wir noch weitere Fragen haben. Und solange die Ermittlungen laufen, darfst du das Land nicht verlassen.«
Bevor Jérôme protestieren konnte, waren der Kommissar und Yossi bereits zu Zipi hinübergeeilt und baten sie, den jungen Mann zum Ausgang zu bringen.
Vor der Tür rauchte Yossi eine Zigarette. Er und Assaf entschieden sich, zum arabischen Schawarma-Imbiss »Hassan« zu gehen, der ganz in der Nähe des Polizeihauptquartiers lag. Als sie sich über eine Pita hermachten, fragte Assaf seinen Kollegen, in welcher Einheit er eigentlich seinen Dienst abgeleistet hatte.
»Ich war bei den Fallschirmspringern. Hatte auch das große Glück, 2006 mit in den Libanon zu dürfen. War echt ätzend. Ich war mit in der Kompanie, in der die Hubschrauberpilotin gestorben ist.«
»Walla?«
»Und du? Wirst du noch Reservedienst machen, jetzt, wo du bei der Polizei bist?«
»Ich will auf jeden Fall.«
»Versteh ich nicht. Sei doch froh, wenn die dich in Ruhelassen. Ich finde, ich habe genug bei diesem ganzen Scheiß mitgemacht. Jetzt können mal die anderen ran. Ich war lange genug im Reservedienst.«
Assaf nickte verständnisvoll, während er herzhaft in seine Pita biss.
»Ich kann verstehen, dass junge Typen den Dienst verweigern«, fuhr Yossi fort. »Ich habe da auch keinen Bock mehr drauf. Ich will einfach nur noch meine Ruhe haben. Sollen die Palästinenser doch ihren Staat bekommen, mir reicht’s. Immer nur Krieg und Angriffe und Vergeltungsschläge.«
Assaf schluckte den Rest Pita hinunter, bevor er antwortete: »Yossi, du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die aufhören, Stress zu machen, wenn die ihren eigenen Staat haben? Dann geht’s erst richtig los. So wie mit Gaza. Dann schießen die Raketen auf Tel Aviv – von Ramallah aus ist das kein Problem.«
»Mann, Assaf, mit der Einstellung kriegen wir hier nie Ruhe. Wir müssen mal was riskieren!«
»Ich riskiere doch nicht meine Heimat. Und überhaupt: Was riskieren die Araber? Die fordern immer nur. Mehr und mehr. Die Flüchtlinge, Jerusalem, das Land. Die erkennen uns noch nicht mal an. Die sind nicht wie wir, die haben nicht die gleichen Werte. Die wollen keinen Frieden. Die wollen nur Stress und unser Land.« Er nahm einen Schluck von seinem Traubensaft. »Vielleicht nicht alle, aber viele«, fügte er dann noch hinzu, um nicht völlig fanatisch zu wirken.
»Assaf, es gibt doch sehr viele Pallis, die Frieden wollen. Und wir sind nun einmal die Besatzer. Wir sind diejenigen, die gehen müssen, wir sind die Stärkeren. Wir müssen endlichetwas tun und nicht weiter in diesem passiven Zustand der Perspektivlosigkeit verharren. Das ist doch vor allem für unser Verständnis von Demokratie ein Problem. Wir brauchen ein Land mit klaren Grenzen. Wir müssen agieren, nicht reagieren.«
»Jetzt klingst du wie Grossman.« Assaf lachte mit Verweis auf den bekannten Schriftsteller und Friedensaktivisten.
Yossi musste gleichfalls lachen.
»Komm, ich lade dich noch auf ein Eis an der Promenade ein«, sagte Assaf.
Weniger später machte Assaf sich auf nach Bat Jam. Schon zwei Tage lang hatte es nicht geregnet. Assaf ließ sich auf seinem Roller die Meeresbrise um die Nase wehen und genoss den Anblick des Strandes. Auf seinem Weg nach Bat Jam fuhr er mitten durch das Stadtviertel Ajami, das durch den gleichnamigen Film vor einiger Zeit als Drogen- und Kriminalitätsfavela zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt war. Im Großen und Ganzen war Ajami allerdings ein gepflegtes Viertel mit prachtvollen, renovierten Häusern. Nur wenn man in die dunklen Seitenstraßen schaute, sah man grüppchenweise junge Männer zusammenstehen, die sich die Kapuzenpullis tief ins Gesicht gezogen hatten. An Ajamis Hauptstraße Yefet saßen Männer, die Schesch Besch spielten und Wasserpfeife rauchten. Im Vorbeifahren registrierte Assaf Frauen mit Kopftüchern und in lange Gewänder gehüllt ihre Einkäufe erledigen. Im tiefsten Jaffa wohnten noch jede Menge Araber.
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