Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
gestern um Jahre gealtert. Am liebsten hätte er die Frau umarmt, doch er entschied sich lediglich für einen langen, freundlichen Händedruck.
»Klara, danke, dass du gekommen bist. Möchtest du etwas trinken? Wasser?«
»Ein Glas Wasser wäre schön.«
Assaf holte ihr etwas Wasser aus einem der Wasserspender, die im Präsidium in den Fluren aufgestellt waren. Klara trank das Wasser in einem Zug aus, atmete tief ein und nickte entschlossen zum Zeichen, dass sie bereit war. Die beiden stiegen in den Fahrstuhl. Assaf war froh, dass er die ältere Dame wenigstens auf diesem schweren Weg begleiten konnte.
»Hat sie gelitten?«, fragte Klara, an Liat gewandt, die auf der anderen Seite des Metalltisches stand. Zuvor hatte die alte Dame bestätigt, dass es sich bei der Toten um ihre Enkelin handelte.
»Nein. Dafür ging alles viel zu schnell. Sie hatte bestimmt keine Schmerzen«, beruhigte Liat die Großmutter.
»Gut. Wenigstens das«, murmelte die alte Frau, während sie ihre knochigen Finger knetete. Sie stand neben dem Metalltisch, als hätte sie keine Ahnung, was nun werdensollte. Oder ob es überhaupt ein Leben nach diesem Moment geben würde. Dann bat sie den Kommissar und die Rechtsmedizinerin, sie einen Moment mit der Toten alleine zu lassen. »Ich möchte mich verabschieden.«
Während Klara Chajbi ihre Enkelin zum letzten Mal betrachtete, warteten Liat und Assaf vor der Tür.
»Assaf, wir haben die Ergebnisse des DNA -Tests. Der Schwarze war keiner der Männer, deren Sperma ich im Abstrich gefunden habe.«
Assaf hatte für einen Moment vergessen, dass Marina vor ihrem Tod mit zwei Männern Geschlechtsverkehr gehabt hatte.
»Danke, dass du das so schnell untersucht hast.« Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, öffnete sich die Tür zum Obduktionsraum, und Klara Chajbi kam langsam, leicht gebeugt heraus. Sie bedankte sich bei Liat und bat Assaf, sie nach oben zu begleiten und ihr ein Taxi zu bestellen. Die Tote hatte sie selbst zugedeckt.
Als Assaf zurück ins Büro kam, fühlte er sich, als sei er stundenlang weg gewesen. Zipi hatte ihm auf einem gelben Zettel notiert, dass Yossi zum Verhör mit dem Afrikaner in Raum 4 gegangen war. Assaf schlang schnell einen Schokoriegel herunter und machte sich auf den Weg. Nach dem Treffen mit Klara Chajbi war er noch entschlossener, den Mörder zu finden, und dieses Mal würde er Moses nicht davonkommen lassen mit all seinen »I don’t know«-Aussagen.
In dem Moment, als Assaf den Verhörraum betrat, fragte Yossi gerade, was Moses am Strand gemacht habe. Statt zu antworten, schaute der Schwarze nur stumm auf den eintretendenKommissar und wartete, was nun passieren würde.
»Beantworte die Frage!«, forderte Assaf ihn auf.
»Ich habe euch doch schon alles gesagt. Ich habe einfach nur am Strand gesessen und nachgedacht.«
»Hat dich irgendjemand am Strand gesehen? Waren da noch andere Leute?«
Der Schwarze schüttelte verzweifelt den Kopf. »Nein. Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht. Ich habe mit niemandem gesprochen.«
»Moses«, sagte Assaf, »wir haben die Ergebnisse des DNA -Testes. Du hattest keinen Sex mit Marina. Jedenfalls nicht, kurz bevor sie gestorben ist.«
»Ich habe nie mit Marina geschlafen«, stellte Moses mit zitternder Stimme klar.
»Wer dann?«, fragte Yossi ungeduldig.
Bevor Moses etwas erwidern konnte, fragte ihn Assaf, einer Intuition folgend: »Moses, hat Marina als Prostituierte gearbeitet?«
Moses und Yossi schauten den Kommissar gleichermaßen überrascht an. Yossi hatte keine Ahnung, wie Assaf auf diese Idee gekommen war, und Moses war überrascht, dass er darauf gekommen war.
»Ja«, sagte der Afrikaner nach einigen Sekunden leise.
»Warum hast du uns das nicht vorher gesagt?«, rief Assaf vorwurfsvoll.
Der Schwarze sah aus, als würde er resignieren. Assaf wusste, dass er ihn jetzt da hatte, wo er ihn haben wollte. In diesem Zustand würde er ihnen keine Lügen mehr auftischen.
»Hast du Marina deswegen getötet? Weil du wütend darüber warst?«
»Ich war wütend. Ich bin immer noch wütend. Aber ich habe sie nicht getötet. Ich hätte ihr nie etwas getan, ich wollte einfach nur, dass sie mit dieser Arbeit aufhört.«
»Und als sie das nicht wollte, bist du ausgerastet?«
»Nein, nein«, wiederholte der Afrikaner weinerlich.
»Moses, sieh mich an! Wir haben Textilspuren an der Leiche gefunden. Wir werden dein ganzes Haus umkrempeln. Wir finden, was wir suchen, wenn es bei dir ist. Die Lügen werden dir nichts
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