Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
Polizisten erreichten die Wohnung. Es überraschte sie nicht, dass ihnen niemand öffnete. Allerdings hämmerten sie so lautstark gegen die Tür, dass ein Nachbar auf den Flur kam, aber der konnte ihnen auch nicht sagen, wann er Joy das letzte Mal gesehen hatte.
Geschickt öffnete Assaf dann mit seiner Mitgliedskarte vom Fitness-Center, die er sowieso kaum benutzte, die Tür. Sie fanden die kleine Wohnung der Asiatin verlassen vor. Alles war an seinem Platz, nichts wirkte durchwühlt. Falls Joy ihr Apartment in großer Eile verlassen hatte, war davon zumindest nichts zu sehen.
Die beiden Polizisten verließen die Wohnung. Yossi zog die Haustür hinter sich zu, und Assaf wählte erneut Joys Nummer. Er schaute seinen Kollegen verzweifelt an. »Das Handy ist auf einmal ausgeschaltet.«
Der Kommissar lehnte seine Stirn an die kühle Wand im Treppenhaus. »Scheiße, scheiße, scheiße.«
Yossi versuchte den aufgebrachten Assaf zu beruhigen. »Achi, vielleicht taucht sie ja wieder auf – lebendig meine ich. Jetzt geben wir erstmal eine Vermisstenfahndung nach ihr heraus.«
Zwei Stunden später als geplant klopfte Assaf endlich mit Yossi an die Haustür von Esra Schwarz. Eine ältere Frau mit blondierten Haaren öffnete die Tür. Assaf vermutete, dass es sich um die Frau von Esra Schwarz handelte.
»Geveret Schwarz? Wir sind von der Polizei und würdengerne mit deinem Mann Esra sprechen. Ist er zu Hause?«, fragte Yossi die Frau.
Die Frau stellte sich als Liora Schwarz vor und ließ die beiden Männer eintreten. »Was wollt ihr denn von ihm?«, fragte sie misstrauisch.
»Das würden wir gerne mit ihm besprechen. Kannst du ihn holen?«
Liora Schwarz sah erst Yossi, dann Assaf argwöhnisch an. Danach schrie sie, ohne sich von der Stelle zu rühren, den Namen ihres Mannes. Ihre Stimme klang wütend. Unverzüglich kam ihr Mann durch das Wohnzimmer in den Flur getrottet. Esra Schwarz war ein wenig kleiner als seine Frau. Er war von zierlicher Statur; anders als Liora Schwarz strahlte er etwas Gutmütiges aus. In Assafs Augen war er dennoch verdächtig.
»Esra, wir müssen mit dir reden!«, fuhr Assaf, den Joys Verschwinden regelrecht rasend machte, den Mann an. »Alleine.«
»Es gibt nichts, was mein Mann nicht vor mir sagen könnte. Wir haben keine Geheimnisse voreinander«, mischte sich Liora Schwarz ein.
»Das mag sein. Trotzdem möchten wir mit ihm alleine sprechen. Adoni Schwarz?«
Esra blickte verwirrt zu seiner Frau, dann zu dem Kommissar und seinem Kollegen. »In Ordnung. Kein Problem.« Er führte sie in eine Art Arbeitszimmer. Dort standen ein Computer und ein Bücherregal, in dem sich jedoch nur wenige Bücher befanden, sondern vor allem Familienfotos. Auf den meisten war Liora Schwarz mit ihren Kindern oder Enkelkindern zu sehen.
»Esra«, begann der Kommissar, nachdem sie sich auf dieungemütliche Couch gesetzt hatten, »wir sind von der Mordkommission. Die Prostituierte Marina Koslovsky, bei der du auch Kunde warst, ist in der letzten Woche tot aufgefunden worden.«
Esra schaute entsetzt von einem zum anderen. »Aber«, stammelte er, »das kann doch nicht wahr sein? Ich war doch erst vor ein paar Tagen noch bei ihr ...«
»Warst du am Dienstag da?«, fragte Yossi.
»An diesem Tag wurde sie nämlich ermordet!«, ergänzte Assaf.
»Am Dienstag. Um Gottes willen. Nein. Ich hatte ... Ich hatte kein Geld mehr für sie. Sie sagte mir, dass ich mich nicht mehr bei ihr blicken lassen sollte. Das müsst ihr euch mal vorstellen!«, sagte er gekränkt.
»Wo warst du Dienstagabend?«
»Wieso? Ich ... Verdächtigt ihr mich etwa?«
Assaf wollte etwas sagen, aber Yossi kam ihm zuvor. »Adoni Schwarz, wir machen nur unseren Job. Und der besteht im Moment darin, zu überprüfen, ob du ein Alibi für die Mordnacht hast.«
»Ich war erst beim Kuku. Dann bin ich noch auf dem Weg nach Hause spazieren gegangen.«
»Kuku?«, wiederholte Assaf.
»Das ist ein polnisches Kartenspiel. Ich spiele mit einigen Freunden, die ich noch aus dem Lager kenne.«
Die beiden Polizisten sahen ihn irritiert an. Esra Schwarz sah zu jung aus, als dass er in einem Konzentrationslager gewesen sein konnte.
»Nein. Kein Konzentrationslager. Ein DP -Lager, in das sie meine Eltern nach ihrer Befreiung aus Auschwitz gebracht hatten. Dort wurde ich auch geboren.«
»Und wie lange bist du beim Kartenspielen gewesen?«, fragte Yossi ohne Zögern. Das Thema »Auschwitz« schockierte in Israel niemanden. Vor allem Yossi nicht, dessen halbe
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