Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
Familie in Treblinka »geblieben war«.
»So gegen halb neun habe ich mich auf den Weg gemacht. Ich bin dann nicht direkt nach Hause, sondern noch ein wenig spazieren gegangen.«
»Aber es hat doch geregnet?«, fragte Assaf nach.
Esra schaute ihn unsicher an.
»Esra, wo warst du Dienstagabend?« Yossi sprach betont freundlich.
»Ich war in einer Kneipe und habe ein Bier getrunken. Dann bin ich nach Hause gegangen. So gegen zehn war ich zu Hause.«
Assaf dachte angestrengt nach. Marina war zwischen halb zehn und zehn ermordet worden. »Kann das jemand bezeugen? Deine Frau?«
»Meine Frau ist erst etwa eine halbe Stunde später nach Hause gekommen. Sie musste überraschend zu unserer Tochter, um auf unseren Enkelsohn aufzupassen.«
Assaf notierte sich den Namen der Kneipe, in der Esra Schwarz angeblich gewesen war.
In diesem Moment betrat Liora Schwarz das Zimmer: »Dürfte ich vielleicht erfahren, was hier los ist?«, rief sie erbost.
»Komm morgen zu uns aufs Revier. Am besten nachmittags«, wies Assaf Esra Schwarz an, ohne auf die Frage der Frau einzugehen.
Stumm verließen die beiden Polizisten die Wohnung. Draußen hatte der Regen endlich etwas nachgelassen. Überall tropfte und rauschte es aus den Regenrinnen.
»Eize Polanit«, sagte Yossi schließlich, als sie im Auto saßen.
Assaf wusste sofort, was er damit meinte. »Polanit« nannte man eine missgünstige, herrische Frau. Der Hinweis auf das Herkunftsland war nicht zufällig. Polnische Frauen oder Israelinnen polnischer Herkunft hatten im Land einen schlechten Ruf.
»Esra Schwarz kann einem fast leidtun«, meinte Yossi. »Mit so einer dominanten Frau hast du nicht viel zu lachen. Kein Wunder, dass er Marina besucht hat.«
Assaf nickte nachdenklich. »Trotzdem. Er hat kein Alibi, wenn ich das richtig sehe. – Kannst du mich bei Dudu vor dem Haus absetzen? Mein Roller steht doch noch dort.«
»Sollen wir noch einmal gemeinsam hochgehen und schauen, ob Joy inzwischen wieder aufgetaucht ist?«
Nachdem auch ein erneuter Besuch in Dudus Nobelbordell erfolglos verlaufen war, weil sich von Joy weiterhin keine Spur fand, fuhr Assaf nach Hause. Er aß etwas, zog sich um und schloss seine Dienstwaffe gewissenhaft in einen kleinen Tresor ein, den er in der Abstellkammer angebracht hatte. Er konnte nicht aufhören, an Joy zu denken. Da er auf keinen Fall alleine zu Hause sitzen wollte, machte er sich auf den Weg zu seinem Kumpel Yaron. Assaf wusste, dass sein Freund frisch geerntet hatte. Yaron züchtete erfolgreich Cannabis für den Eigenbedarf.
Ein paar Stunden später kehrte Assaf bekifft und etwas versöhnter mit der Welt nach Hause. Die Straße, in der er wohnte, war um diese Zeit menschenleer. Nur die Katzen huschten mit ihren Schatten um die Wette. Assaf bückte sich, um seinen Roller abzuschließen, als ihn ein harterTritt in den Rücken traf. Er strauchelte und prallte mit dem Kopf gegen den Roller. Bevor er sich aufrichten konnte, zog ihn jemand grob nach hinten. Der Angreifer hielt seine Arme fest, und eine zweite Gestalt begann auf Assaf einzuschlagen.
Plötzlich war der Kommissar, eben noch bekifft, hellwach. Reflexartig schnellte sein Knie hoch und erwischte seinen Widersacher am Kinn. Dann trat er mit dem rechten Bein zu, während er sich gleichzeitig geschickt aus dem Griff des Hintermanns herausdrehte und ihn mit dem Ellenbogen wegstieß. Adrenalin schoss ihm ins Blut. Mit dem Handballen schlug Assaf seinem Gegenüber ins Gesicht. Blitzartig drehte er sich dann um und trat erneut auf den zweiten Kontrahenten ein. Wer auch immer ihn angriff, hatte nicht damit gerechnet, dass er den israelischen Kampfsport Krav Maga hervorragend beherrschte.
Die beiden Angreifer beschlossen, die Flucht zu ergreifen. Assaf erwischte den einen noch an seiner Strickmaske, die er sich über das Gesicht gezogen hatte. Er erkannte den Mann sofort. Der Kerl war einer der beiden Gangster, die bei Dudu im Büro gesessen hatten.
KAPITEL 10
Assaf hämmerte an die Metalltür. Mit einem kurzen Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass sie bereit waren. Hinter ihm hatten sich Yossi und weitere Kollegen vom mobilen Einsatzkommando aufgestellt. Zusammen mit Schlomo, dem Chef der Spurensicherung, der sich im Hintergrund hielt, standen zehn Mann vor den Toren des Nobelbordells. Die meisten der Männer hinter ihm trugen eine schwarze Strickmaske, ähnlich wie seine Angreifer vom Abend zuvor. Die Spezialkräfte konnten es sich nicht leisten, erkannt zu werden.
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