Die letzte Sünde: Kommissar Rosenthal ermittelt in Tel Aviv (German Edition)
unsicher an. Erst jetzt schien er zu begreifen, worauf Assaf Rosenthal hinauswollte. Der Mann rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl herum. Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn. »Aber ... das heißt doch nicht, dass ich sie umgebracht habe. Nein, ich könnte niemals jemanden etwas antun.«
Assaf sah den immer nervöser werdenden Mann an. Esra Schwarz war ein Weichei, das komplett unter der Fuchtel seiner Frau stand. Er traute ihm tatsächlich nicht zu, gewalttätig zu sein. Aber waren es nicht gerade diese Männer, die zu Hause nichts zu sagen hatten, deren Emotionen plötzlich zu einer unfassbaren Eskalation führen konnten?
»Was hat Marina dazu gesagt, als du von Dudu bedroht wurdest?«
»Sie meinte, dass sie nichts dafür könnte. Dudu würde ihr schließlich auch Stress machen.«
Assaf schaute Esra nachdenklich an. Dudu wollte sein Geld. Marina war nervös geworden und dann auch Esra Schwarz. Vielleicht hatte sie ihm sogar gedroht, seiner Frau von seinen Besuchen zu erzählen, wenn er nicht zahlte.
»Wie hätte deine Frau reagiert, wenn sie von den Besuchen bei Marina erfahren hätte?«
»Um Gottes willen! Sie hätte mich umgebracht. Baruch ha shem, dass sie nichts davon weiß«, rief Esra ängstlich aus, »sie darf auch jetzt nichts davon erfahren.«
»Das kann ich dir nicht versprechen. Im Gegenteil, wir werden auch mit ihr sprechen müssen. Esra, du hattest ein sehr gutes Motiv, Marina zu töten ...«
»Kommissar Rosenthal, nein, um Gottes willen«, fiel ihm der ältere Mann ins Wort.
Assaf dachte an die graue Regenjacke, deren Spuren sie unter Marinas Fingernägeln gefunden hatten. Sie mussten dringend einen Durchsuchungsbefehl für Esras Wohnung bekommen. Der Kommissar hatte das Gefühl, dass sie diese Jacke dort finden würden. Wenn Esra Schwarz sie nicht bereits entsorgt hatte. Auch die Statur seines Gegenübers passte in das Profil des Täters.
»Wir haben dein Alibi überprüft. Du warst bis zwanzig nach neun in der Kneipe ›Schoschanas‹, und danach bist du nach Hause gegangen? Hat dich jemand auf diesem Weg gesehen?«
Esra Schwarz schüttelte mutlos den Kopf und stöhnte. »Wäre ich doch bloß nie zu ihr gegangen.«
Reue bei Verdächtigen war nicht neu für Assaf. Allerdings: Die Straftäter, mit denen er es in der Vergangenheit zu tun gehabt hatte, bereuten höchstens, dass sie nicht noch mehr Menschen in den Tod gerissen hatten.
Kurze Zeit später verabschiedete sich der Kommissar von Esra Schwarz. Zwar hielt er ihn für verdächtig, aber er konnte ihn – anders als Moses – nicht einfach festhalten. Immerhin war Moses kurz vor Marinas Tod mit ihr gesehen worden. Bei Esra Schwarz musste der Kommissar erst handfeste Beweise bringen, bevor er ihn festnehmen lassen konnte. Aber Assaf Rosenthal war sich sicher, dass er diese Beweise finden würde. Es war nur eine Frage der Zeit.
KAPITEL 11
»Wie heißt du?«, brüllte die Frau gegen die Musik an.
»Assaf.«
»Hi, ich bin Tal. Freut mich.«
Assaf ließ sich nicht anmerken, dass er bereits wusste, dass die Frau Tal hieß. Tal Rotenberg war eines der bekanntesten israelischen Topmodels. Er hatte sie sofort erkannt und wusste auch, dass ihr und ihrer Modelfreundin Tamar, die hinter ihr stand, die Bar gehörte, in die Yaron ihn bugsiert hatte. Dieser Tag hatte ihn erschöpft. Noch immer hatten sie keine Ahnung, wo Joy abgeblieben war. Die Asiatin war wie vom Erdboden verschluckt, und der Kommissar musste unentwegt an sie denken. Yaron jedoch hatte gemeint, dass diese Obsession, an Joy zu denken, der beste Grund war, noch ein wenig um die Häuser zu ziehen. »Du musst auf andere Gedanken kommen!«, hatte er gemeint, als er überraschend vor Assafs Tür gestanden hatte.
Also waren sie gegen zehn im » TNT « gelandet. Der Laden mit seinen vergitterten Schnapsregalen und schweren Eisenketten am Eingang war um diese Zeit bereits brechend voll. Auf der kleinen Bühne, die direkt neben der Eingangstür lag, drängte sich eine fünfköpfige Band, die orientalische Musik mit elektronischen Elementen kombinierte. Ein langhaariger Typ trommelte so schwungvoll auf die Darbukka ein, dass Assaf fürchtete, er würde jede Sekundevon der Bühne stürzen. Vorne am Mikrofon stand ein dunkelhäutiger Lockenkopf, wahrscheinlich jemenitischer Herkunft, der auf Arabisch sang. Sein Nebenmann zupfte dazu rhythmisch an der arabischen Laute. Im Hintergrund regelte der DJ den Beat.
Yaron und Assaf hatten sich an der tanzenden Masse vorbeigedrängelt,
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