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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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konzentrierte sich, versuchte zu sehen.
    Er wollte sehen, ihm lag daran, irgendeinen Ausweg aus der Vollständigkeit seines Verlorenseins zu finden. Und seine Augen waren offen – sie mußten offen sein, oder er wäre nicht dazu imstande gewesen, die schemenhafte Erscheinung wahrzunehmen, die über ihm herummaulte. Dennoch konnte er sie nicht deutlich erkennen. Seine Augen waren trocken, aber wie beschlagen; er sah nichts als Kälte und rings um das dichtere Grau der unfreundlichen Fresse ein allgemeineres, verwascheneres Grau verschmiert.
    »Auf, Covenant!« knurrte eine rauhe Stimme. »In diesem Befinden bist du von keinem Nutzen.«
    Ein weiterer Hieb warf ihm den Kopf zur Seite. Er zuckte schlaff wie ein nasser Sack. Durch den Schmerz in seiner Wange starrte er in den eisigen Wind. Mühselig blinzelte er die Trockenheit seiner Augen fort, und Tränen begannen seine Blindheit in Formen und Raum aufzulösen.
    »Auf, sag ich!«
    Covenant war, als kenne er die Stimme, aber ihm fiel nicht ein, wem sie gehörte. Doch es fehlte ihm an Kraft, um den Kopf zu wenden und noch einmal hinzuschauen. Er blieb am eiskalten Untergrund liegen und zwinkerte, bis sein Blick einen Brennpunkt in einer hohen, monolithischen Faust aus Stein fand und darauf haftete.
    Sie stand vielleicht zwanzig Meter von ihm entfernt und ragte ungefähr zwölf Meter hoch empor – eine Säule aus Obsidian, erhoben auf einem Sockel naturwüchsigen Felsens, oben zu einer knorrigen Ballung stummen Trotzes verknotet. Dahinter sah er gar nichts; sie stand vor einem Hintergrund aus Wolken, als habe man sie am Rande der Welt errichtet. Zuerst kam sie ihm vor, als sei sie ein Gegenstand, der voller Macht stak, ein Wahrzeichen der Erdkraft womöglich, auf- oder hingestellt, um eine Grenze gegen den Einfluß des Bösen zu kennzeichnen. Doch indem sich sein Blickfeld klärte, machte der Stein zusehends einen matten, schläfrigen, leblosen Eindruck; noch während er ihn anblinzelte, wirkte er zuletzt so tot wie irgendein beliebiger Felsklotz. Falls es darin noch Leben gab, besaß er nicht länger die Augen, um es zu sehen.
    Langsam kehrten in Bruchstücken auch seine übrigen Sinne wieder. Er merkte, daß der Wind in räuberischer Art und Weise an ihm vorüberfegte, wie ein Fluß, der durch Stromschnellen schoß; und entfernt ertönte ein dunkles, dumpfes Dröhnen, wie das Donnern eines Wasserfalls.
    »Auf!« wiederholte die barsche Stimme. »Muß ich dich besinnungslos prügeln, um dich zu wecken?!«
    Abartiges Gelächter erscholl nach dieser Äußerung, als habe es sich um einen besonders gelungenen Scherz gehandelt.
    Unerwartet packten rohe Fäuste ihn am Gewand und zerrten ihn vom Boden hoch. Er war noch zu schwach, um das eigene Gewicht selbst zu tragen, zu schwach, um nur den Kopf zu heben. Er lehnte sich an den Brustkorb des Mannes und keuchte vor Mühsal, versuchte mit untauglichen Fingern, sich an den Schultern des Kerls festzuhalten.
    »Wo ...?« röchelte er endlich hervor. »Wo ...?«
    Wieder verhöhnte ihn das Gelächter. Zwei unkenntliche Stimmen lachten über ihn.
    »Wo?« schnauzte der Mann. »Thomas Covenant, du bist in meiner Gewalt. Das ist das einzige Wo , das noch zählt.«
    Angestrengt hob er den Kopf und starrte jämmerlich in Triocks finstere Miene.
    Triock? Er versuchte, den Namen auszusprechen, aber seine Stimme verweigerte ihm den Dienst.
    »Du hast alles vernichtet, das mir jemals kostbar war. Darüber denke nach, Zweifler« – er versah die Anrede mit einem Abgrund von Verachtung –, »solltest du überdies wissen wollen, wer du bist.«
    Triock?
    »Jeder deiner Atemzüge enthält Mord und Erniedrigung. Ah! Du stinkst danach.« Ein Zucken des Abscheus verkrampfte Triocks Miene, und er ließ Covenant zurück auf den Boden sacken.
    Covenant fiel inmitten neuer sarkastischer Erheiterung schwerfällig hin. Ihm war noch immer viel zu benommen zumute, als daß er seine Gedanken hätte zusammennehmen können. Triocks Widerwille wirkte auf ihn wie ein Befehl; er lag ausgestreckt da, die Augen geschlossen, versuchte sich selbst zu riechen.
    Es stimmte. Er stank nach Lepra. Die Krankheit in seinen Händen und Füßen roch schlecht, verströmte einen fauligen Geruch von einer Stärke, der in keinem vernünftigen Verhältnis zur körperlichen Ausdehnung des Leidens stand. Was das hieß, war unmißverständlich. Der Schmutz in seinem Innern, die Verpestung seines Fleisches, breitete sich von neuem aus – griff um sich, als wäre er ein

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