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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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erfassen.
    Seine Gedanken hingen wie Fetzen von den Rahen seines Verstandes, zerrissen von einem Sturm der Entkräftung und des Verlusts. Er wußte, daß er hungerte. Völlig richtig , sagte er sich. So war das. Seine Füße waren zerschunden, übersät mit Kratzern, und seine Stirn schmerzte, als habe man ihm einen Nagel hineingehauen. Völlig richtig. So war das. Doch seine verdreckte Haut war nicht verbrannt, und sein total verschmutztes Gewand zeigte keinerlei Schäden durch Hitzeeinwirkung. Für eine Weile saß er reglos da und versuchte zu begreifen, wieso er noch lebte.
    Schaumfolger mußte ihn gegen die Hitze geschützt haben, indem er irgendeine Kraft an ihn abgab, auf ähnliche Art, wie die Riesen Schiffe und Boote antrieben, indem sie mit ihren Kräften die Güldenfahrt-Ruder beeinflußten. Er schüttelte den Kopf über Schaumfolgers Tapferkeit. Er hatte keine Ahnung, wie er ohne die Hilfe eines Freundes weiterkommen sollte.
    Aber er vergoß um den Riesen keine Tränen. Ihm war tränenlos zumute. Er war ein Aussätziger und hatte mit Freude oder Trauer absolut nichts zu schaffen. Nichts , versicherte er sich unverblümt. Die Krisensituation am Koloß hatte ihn über sich selbst hinaus gefordert und angefeuert, ihm Reaktionen entlockt, die er eigentlich nicht kannte. Nun spürte er, daß er in seinen Zustand wesensgrundsätzlicher Gefühllosigkeit zurückgekehrt war, zum maßgeblichen Prüfstein seiner Existenz. Er war fertig damit, derartig vorzugeben, er sei mehr, als er wirklich war. Aber sein Werk war nicht getan. Er mußte weiter, die Konfrontation mit dem Verächter suchen – um den Zweck, für den er hier war, zu erfüllen, wenn es sich irgendwie machen ließ. Noch waren nicht alle Voraussetzungen für seine Entlassung aus dem Land erfüllt. Wohl oder übel mußte er der Gier Lord Fouls nach dem Weißgold ein Ende bereiten.
    Und er mußte es so tun, wie Bannor und Schaumfolger es getan hätten – leidenschaftslos und doch leidenschaftlich, durch Kampf und doch kampflos, beides gleichzeitig –, weil er mehr als einen Grund erfahren hatte, um den Verächter aufs Korn zu nehmen. Im Geist umgeben von all seinen Opfern, sah er, daß nur ein gangbarer Ausweg ihm noch offenstand.
    Diese Lösung bestand aus dem Sieg über das Böse.
    Nur indem er Lord Foul überwand, konnte er all den Leben einen Sinn verleihen, die in seinem Namen geopfert worden waren, und zugleich sich selbst bewahren, die unwiderrufliche Tatsache, wer er war.
    Thomas Covenant. Zweifler. Aussätziger.
    Bedächtig betrachtete er seinen Ring. Er baumelte locker um seinen abgezehrten Finger – matt, silberfarben, rätselhaft. Covenant stöhnte auf und rappelte sich hoch.
    Er wußte nicht, wieso er sich auch nach Schaumfolgers Tod noch immer im Land befand, und es war ihm gleichgültig. Wahrscheinlich lag die Erklärung irgendwie darin, daß das Gesetz des Todes gebrochen worden war. Der Verächter brachte alles zustande. Covenant fühlte sich zu glauben bereit, daß in Lord Fouls Domäne alle Gesetzmäßigkeiten, die ansonsten auf der Erde zu herrschen pflegten, keine Gültigkeit besaßen.
    Er schleppte sich auf der anderen Seite der Rinne hinauf. Er hatte keine Vorbereitungen zu treffen, sich nicht mit Vorräten, Plänen und sonstigen Hilfsmitteln zu befassen – es gab keinen Grund, warum er nicht sofort einfach an seine Aufgabe gehen sollte. Denn je länger er wartete, um so schwächer würde er werden.
    Als er sich der Hügelkuppe näherte, hob er den Kopf und hielt Ausschau. Ihm bot sich der erste Ausblick auf Fouls Hort.
    Ungefähr einen Kilometer entfernt stand er auf einem zerklüfteten, kahlen, flachen Gelände aus toter Erde und leblosem Stein, einem Ort, der schon so lange verwüstet und abgestorben war, daß er selbst die Möglichkeit von Leben längst vergessen hatte. Von der Höhe des Hügels herab – der letzten Erhebung zwischen ihm und Fouls Hort – erkannte Covenant, daß er sich am Fuß der Landzunge Ridjeck Thomes befand. An beiden Seiten seines Standorts, jeweils mehrere hundert Meter entfernt, endete der Erdboden an senkrechten Klippen, die sich einander immer mehr näherten, indem sie ins Meer hinausragten, bis sie an der Spitze der Landzunge zusammenliefen. In der Ferne hörte er Wellen gegen die Klippen branden, und weit jenseits ihrer Ränder konnte er die düsteren, graugrünen Wasser der See erspähen.
    Aber er widmete der Landschaft wenig Aufmerksamkeit. Fouls Hort selbst zog seinen Blick an wie ein Magnet.

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