Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
Maryann.
Ein Bandit hob die Waffe und zielte auf Rosa. »Du hast Stan getötet, du verdammte Schlampe!«
»Und ich kriege auch noch den Rest von euch.« Sie zielte in dem Wissen, dass einer von ihnen sie treffen würde, sobald der erste Schuss fiel.
Keine Deckung. Sie würde sterben. Aber sie würde sterben, wie sie alles andere tat, mit aller Wildheit und Unbeugsamkeit, die sie aufbringen konnte.
Na los, kommt schon. Kommt. Schon.
»Tötet sie nicht.« Ein großer Bandit schob die Hand seines Gefolgsmanns beiseite, sodass die Pistole nicht mehr auf Rosa zielte. Die anderen hielten still. Rosa auch, da schleichendes Entsetzen ihr die Kehle zuschnürte. »Sie sieht jung genug aus, noch Kinder zu bekommen. Erschieß lieber die da , um ein Exempel zu statuieren.«
Alles verlangsamte sich. Singer schrie auf. Rosa konnte den Blick nicht abwenden. Nicht hiervon.
Er hob die Pistole, ein Schuss knallte, und scharlachrotes Blut strömte aus Vivs Stirn. Die kleine Frau sackte schlaff zusammen, und ihr schwarzes Haar breitete sich wie die dunklen Blütenblätter einer Rose auf dem hellen Lehmfußboden aus. Vivs Tod versetzte die anderen Frauen in Panik: Alle versuchten zu fliehen. Blind vor Entsetzen drängten sie zur Tür. Die Schläger prügelten auf sie ein, bis sie aufgaben, und berauschten sich an ihrem Schluchzen wie an gutem Wein. Das Handgemenge machte es unmöglich zu zielen, und der große Dreckskerl, der Vivs Hinrichtung befohlen hatte, lachte über das Chaos, das er ausgelöst hatte.
Er lachte.
Rosa brüllte vor schierem Zorn und stürzte sich ins Getümmel. Sie setzte ihren Gewehrkolben als Keule ein. Ein Messer streifte ihre Seite, aber sie nahm den Schmerz kaum wahr. Sie litt schon ganz andere Qualen.
Nicht Viv. Nicht so. Sie hatte am Boden gelegen und um das Leben der anderen gefleht.
Rosa schlug einem Banditen den Schädel mit dem Gewehrkolben ein, nur, um von zwei anderen gepackt zu werden. Sie entrangen ihr das Gewehr und zwangen sie in die Knie. Irgendjemand presste ihr den kalten Stahl einer Pistole an die Schläfe und kam dann mit dem Gesicht nahe an ihres heran. Natürlich war es der große Mann – der, der Leid unterhaltsam fand.
Er gab seinen Männern einen Wink, und sie hörte neuerliches Weinen. »Bringt diese Huren raus. Um die Schlampe hier kümmere ich mich selbst.«
Sie hielt sehr still, lauschte den Bewegungen und dem Handgemenge draußen. Weitere Schüsse und Schmerzensschreie. Es verhieß nichts Gutes, dass er sich allein mit ihr befassen wollte. Ich werde nicht zusammenbrechen. Das tue ich einfach nicht.
Als Rosa nur noch seinen Atem hörte, riss er ihren Kopf nach oben und führte ihn nahe an sein Gesicht mit dem grau melierten schmutzigen Bart und den fleckigen gelben Zähnen heran. »Ich glaube, du machst mehr Ärger, als du wert bist, Schlampe. Nenn mir einen guten Grund, warum ich dich nicht sofort töten soll.«
Und das konnte sie nicht. Keinen einzigen. Der Tod war besser als das, was diese Ungeheuer vorhatten. Rosa machte ihren Frieden mit der Welt, schloss die Augen und wartete auf die Kugel.
34
Chris hatte die Strecke zwischen den Höhlen und Valle bis auf die letzten paar hundert Meter hinter sich gebracht. Er lief schneller, als er es je für möglich gehalten hätte. Adrenalinausschüttungen wirkten wie Flugzeugtreibstoff auf ihn. Er hatte keine Waffe und keine Ahnung, wie viele Staubpiraten an dem Angriff beteiligt waren. Die Arzttasche klatschte ihm gegen die Rückseite des Oberschenkels, als wäre er ein Armeesanitäter, der sich ins Gefecht stürzte. Irgendjemand hatte vergessen, der Welt mitzuteilen, dass er bloß Chris Welsh war, kein verdammter Held.
Die Lunge kroch ihm schon in die Kehle, als er am Haupttor vorbeistürmte, das geöffnet worden war – ob von den Bravos oder von den Banditen, wusste er nicht. Er blieb nicht stehen, als er die Verwüstung sah. Sechs, vielleicht gar acht Gebäude standen in Flammen. Mehrere Gefallene beider Seiten lagen mitten auf der Straße. Wicker war der Erste, den er erkannte: Er war vor dem Laden zusammengebrochen.
Da er Rosa finden wollte – nein, musste –, war Chris in Versuchung, einfach weiterzurennen. Aber er konnte Wickers schmerzverzerrtes Gesicht nicht einfach ignorieren. Ein Gewehr lag leergeschossen neben ihm.
»Du bist zu früh aufgestanden, alter Mann«, sagte Chris.
»Freut mich … dass du da bist.«
Wicker hielt sich eine klaffende Wunde parallel zu seinen untersten Rippen. Er war aschfahl im
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