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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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Knochen brachen. Denn sie brachen wirklich . Er sah auf seinen Körper hinab, als würde er sich zwei Stockwerke darüber befinden. Sein Bewusstsein war ein Aussichts posten ohne jede Macht einzugreifen. Er konnte nur in entsetzter Faszination zusehen, wie seine Gliedmaßen zuckten und sich verformten, wie sein Rumpf sich krümmte. Er stolperte rückwärts und achtete gar nicht darauf, dass er einen Toten unter den Stiefelabsätzen zertrampelte. Seine Wirbelsäule klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Er brach auf der Veranda zusammen.
    Chris’ letzter Gedanke war ein sehr verwirrender: Panthera pardus pardus. Ein afrikanischer Leopard.
    Seltsam. Ich habe in Nordamerika noch nie einen in freier Wildbahn gesehen.
    Ein Feuer in seinem Verstand löschte all seine Sinne aus. Er wurde auf Wellen brennender Nadeln, die ihm unter die Haut und in die Augen drangen, in einer Spirale nach oben getragen.
    Dann sauste er wieder zu Boden.
    Fleisch.
    Er schnüffelte an dem Leichnam unter ihm. Zwei Leichen. Frisch getötet. Sein eigener Geruch markierte beide als seine Beute, aber er hatte keine Zeit zu fressen. Er hatte sie aus einem bestimmten Grund getötet. Aber der Grund fiel ihm nicht ein.
    Als er Feuer roch, stellte sich ihm das Rückenfell auf. Er hätte fliehen sollen. Aber er hatte sie aus einem bestimmten Grund getötet. Geräusche drangen ihm in die Ohren. Er stellte sie auf, drehte sie, lauschte.
    Stimmen.
    Menschen.
    Er fühlte sich zu ihnen hingezogen. Aber um zu überleben, musste man Menschen in Ruhe lassen. Zu gefährlich. Kein Muster. Aber er drehte sich um und tappte an dem hingestreckten Fleisch vorbei.
    Ein Schrei. Der Schrei eines Weibchens .
    Wieder stellte sich sein Fell auf, diesmal vor Wiedererkennen. Er wagte sich vor, in den Schlupfwinkel der Menschen hinein. Das Wiedererkennen blühte auf und wuchs immer weiter, als er den riesigen Raum mit klarem, ruhigem Blick in sich aufnahm.
    Ein Menschenweibchen kniete am Boden. Ein großes Männchen ragte drohend über ihr auf. Aus seiner Pose sprach ein Sieg, den es noch nicht errungen hatte. Der scharfe Moschusgeruch von Angst und der Gestank von Blut übertönten fast jeden anderen Duft, aber einer drang durch. Einer, der einen Tötungsreflex auslöste.
    Rosa.
    Das Tier in ihm griff an. Er bewältigte die Strecke in zwei kraftvollen Sprüngen. Der große Mann stürzte unter seinen Tatzen zu Boden. Sein Gebiss fand eine Kehle. Die Zähne drangen tief ein. Röcheln und Schreie hatten nichts zu bedeuten. Keine Gnade – es galt nur, die Gefahr zu beenden, in der die Frau namens Rosa schwebte.
    Aber ein harter, erbarmungsloser Teil von ihm legte die neuen Bedingungen fest. Rosa zu retten war nicht genug. Er wollte, dass dieser Gegner, dieser Mann, dieses Opfer litt. Und er litt in der Tat.
    Erst als der Körper nicht länger zuckte und das Blut abzukühlen und zu gerinnen begann, hatte der Leopard ein Einsehen. Er wandte sich der Frau namens Rosa zu. Sie lag nicht mehr auf den Knien. Sie hatte sich an die gegenüberliegende Wand zurückgezogen und ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Das Gesicht, das er kannte, war irgendwie anders, verzerrt und fern. Nichts an ihrer Körperhaltung verriet Erleichterung. Nichts hieß ihn willkommen.
    Sie war entsetzt.
    Mit dem Geschmack von Blut im Mund schritt der Leopard vorwärts. Er wollte an ihrer Hand schnuppern. Er wollte, dass ihr Duft den Todesgestank aus seinen Nasenlöchern vertrieb. Wieder wich sie zurück. Sie hob ein gezacktes Holzstück auf und hielt es sich vor den Körper. Laute drangen aus ihrem Mund. Daran erinnerte er sich – Sprache. Aber sie ergab keinen Sinn mehr für ihn.
    Rosa trat vor – und dann griff sie ihn mit dem Knüppel an.

35
    Die ganze Welt war zu einem Albtraum geworden.
    Rosa sah ungläubig zu, wie ein Leopard den großen Banditen zerfleischte. Es war eine schöne Raubkatze, ebenso anmutig wie tödlich, bedeckt von dunklen Flecken mit goldenem Mittelpunkt. Der Pelz darunter war hell wie Sahne. Das war sicher einer der Gestaltwandler, die sie aus der Stadt vertrieben hatte. Vielleicht hatten sie sich in den Kampf gestürzt und waren nun nicht mehr in der Lage, Freund und Feind zu unterscheiden. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, und deshalb hatte Rosa sie ja auch fortgeschickt.
    Obwohl sie diese Monster mehr als fast alles andere auf der gewandelten Welt fürchtete, packte sie eine behelfsmäßige Waffe. Vivs Leichnam lag nur einen Meter entfernt, für ein Tier so verlockend wie jedes

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