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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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im Rathaus rief ein neuerliches Gewirr von Aufschreien hervor. Zwei schmutzige, schimpfende Männer kamen durch die Tür ins Freie gestürmt. Jeder von ihnen hielt eine Frau an den Oberkörper gepresst. Einer war sogar so dreist, die entblößte Brust seiner Beute zu umklammern. Chris erkannte in der Geisel Maryann, aus deren Gesicht jegliche Farbe und Hoffnung, ja, jeder Ausdruck verschwunden war.
    Obwohl er seinen neuerworbenen Colt zog und ihn anlegte, traute Chris seiner Zielsicherheit nicht – nicht mit einer Pistole, nicht bei einem so geringen Abstand zwischen Entführer und menschlichem Schutzschild. Konnte er mit dem Bild leben, wie Maryanns Schädel aufplatzte, weil er danebenschoss? Oder wäre das Versehen im Vergleich dazu, verschleppt zu werden, noch eine Gnade gewesen?
    Am Ende hatte er gar keine Gelegenheit, eine Entscheidung zu treffen. Ihm wurde eine Pistole an die Schläfe gepresst. Das Geräusch, als der Hahn gespannt wurde, erklang wie aus weiter Ferne oder von einem Kissen gedämpft. Er erkannte, dass seine Ohren nicht richtig funktionierten. Seine Sinne rebellierten. Ihm verschwamm alles vor den Augen, Geräusche wurden undeutlich, Gefühle lösten sich auf.
    »Wirf die Waffen hin, Cowboy«, ertönte eine brutale Stimme.
    Chris ließ den Colt fallen.
    Dann bewegten sich seine Muskeln mit solcher Kraft und Grausamkeit, dass er selbst nicht wusste, wie es kam, dass sein Gegner sich plötzlich im Staub krümmte und sich den Bauch hielt. Die Erschütterung des Schlags strahlte Chris’ Arm hinauf aus wie Nachwehen.
    Was zum Teufel war das?
    Keine Zeit, darüber nachzudenken.
    »Bringt diese Huren raus. Um die Schlampe hier kümmere ich mich selbst.«
    Der laute Befehl kam aus der Nähe. Staubpiraten strömten aus dem Rathaus hervor und schleppten noch zwei Frauen mit.
    Zorn loderte in Chris auf. Er stürmte die beiden Stufen zur Veranda empor, mitten in noch ein stinkendes, verfaultes Stück menschlichen Drecks hinein. Knochen traf auf Knochen, als er einem der Banditen den Ellenbogen ins Gesicht rammte. Der Kiefer des Mannes gab unter dem Schlag nach, und er spuckte Zähne und Blut. Chris packte ihn im Nacken und rammte ihn mit dem Gesicht gegen den Türrahmen. Der Tod trat binnen eines Augenblicks ein: Der riesige, bullige Körper erschlaffte und brach auf der Türschwelle zusammen.
    Zwei Frauen standen mit vor Entsetzen verzerrten Gesichtern direkt dahinter. Ihre Kleider waren blutbefleckt. Wessen Blut es war, ließ sich nicht feststellen.
    »Lauft weg«, rief Chris. »Sucht euch einen Bravo oder versteckt euch. Los!«
    Beatrice tat wie geheißen, aber Sara stand stumm und dumpf völlig erstarrt da. Chris hätte ihr gern geholfen, aber er musste Rosa finden. Sie musste hier sein. Sie musste unversehrt sein.
    Ein Bandit drängte sich an ihm vorbei. Chris rammte ihn und fiel selbst hintenüber. Der Gesichtsausdruck des Widerlings verriet, dass er genauso überrascht wie Chris war, im Dreck gelandet zu sein. Aber noch bevor der Mann seine Waffe spannen konnte, zog Chris das Jagdmesser, das er an sich gebracht hatte, wälzte den Banditen auf den Rücken und rammte ihm dann das Messer aufwärts gerichtet unter das Brustbein.
    Chris sprang von dem toten Mann weg. Von der Veranda warf er einen Blick durch die Tür ins Rathaus und sah alles. Binnen eines Moments erfasste er jedes Detail des abscheulichen Bilds, das sich ihm bot.
    Viv lag mit weit aufklaffendem Hinterkopf reglos am Boden.
    Rosa kniete mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern geschlagen daneben.
    Und ein hünenhafter Mann stand vor ihr. Er hielt ihren Nacken mit einer Hand umklammert und hatte ihr mit der anderen die Pistolenmündung auf die Stirn gesetzt. »Ich glaube, du machst mehr Ärger, als du wert bist, Schlampe. Nenn mir einen guten Grund, warum ich dich nicht sofort töten soll.«
    Schmerz überwältigte Chris’ Verstand. Er fiel auf die Knie, niedergestreckt von einer Lähmung, die ebenso qualvoll wie ungelegen war. Rosa. Gott steh mir bei . Sie würde vergewaltigt und umgebracht werden. Und doch tat sein Körper nichts, als in einem peinigenden Feuer zu entbrennen und zu pulsieren.
    Sein Gehirn fühlte sich voll an, aber zugleich so, als sei es mit nichts Greifbarerem als Dampf angefüllt. Ein Heißluftballon. Alle Halteseile rissen, eines nach dem anderen, bis er schwebte, sich vom festen Boden löste. Und immer noch setzte der Schmerz jedes Nervenende in Flammen.
    Eigentlich hätte er doch hören müssen, wie seine

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