Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
müde. Bloße Macht allein war kein ausreichender Anreiz mehr, die Bürde allein zu schultern.
Rosa zuckte erschöpft die Achseln. »Stimmt ab.«
Die Bravos wurden still und musterten sie überrascht, aber sie überlegte es sich nicht anders. Falco organisierte schnell alles, und früher hätte sie dagegen protestiert, dass er so begeistert die Führung an sich riss. Aber nach diesem Abend, nach allem, was sie verloren hatte, war es ihr gleichgültig. Mierda , sollten sie doch die Gestaltwandlerfamilie einladen, sich ihnen anzuschließen. Vielleicht hätte sie weiterziehen sollen. In Valle würde nichts je wieder sein wie zuvor. Sie hatte von Anfang an den Verdacht gehabt, dass Chris Welsh alles zerstören würde, was sie aufgebaut hatte. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass es auf diese Weise geschehen würde.
Die Auszählung ergab eine Mehrheit von drei Stimmen für seine Teilnahme. Sie hassten und fürchteten Gestaltwandler nicht alle so sehr, wie sie selbst es tat. Vielleicht hatten sie recht. Ohne jede Frage war sie parteiisch, aber sie hatte gute, triftige Gründe für ihre Überzeugungen gehabt.
Jetzt war Rosa von nichts mehr überzeugt.
Sie sah Ex an. »Da habt ihr eure Antwort. Sprecht die Strategie mit ihm durch und macht euch dann bereit, um Mitternacht auszurücken. Ich will, dass die Staubpiraten Gelegenheit haben, sich ordentlich zu betrinken, wenn sie ihren Sieg feiern.«
»Glaubst du nicht, dass sie ihr Lager verlegen werden?«, fragte Falco.
»Wenn sie das tun, werden wir es finden.« Ihr war fast übel, als sie so dastand. Dios , sie musste weg hier. »Ihr könnt ihn wenn nötig als Fährtenleser einsetzen.«
»Ich bin kein Bluthund«, sagte Chris in vor Kummer trostlosem Tonfall.
Rosa ignorierte ihn. Sie konnte sich unter keinen Umständen neben allem anderen auch noch mit ihm befassen. Sie musste ihr gebrochenes Herz in winzige, mundgerechte Stücke zerlegen und den Verlust dann Stück für Stück verdauen, sonst würde sie nicht in der Lage sein zurechtzukommen.
Während die Männer redeten, trat sie in die Abendstille hinaus. Von den verbrannten Gebäuden stieg der Geruch nach Glut und heißer Asche auf, und die aufgeschichteten toten Bravos sprachen ihren Ritualen Hohn. Es hatte keine respektvolle Trauerfeier für Viv, Wicker und Ingrid gegeben, niemand hatte tröstende Worte angesichts ihres Todes gesprochen. Es spielte ohnehin keine Rolle: In dieser Welt war es hoffnungslos, ein Eckchen schaffen zu wollen, in dem Menschen sich an Regeln hielten. Dieses Ödland kannte weder Erbarmen noch Gerechtigkeit. Es war dumm von Rosa gewesen, etwas anderes anzunehmen.
Die Wunde in ihrer Seite brannte, lenkte sie aber wenigstens von ihrem seelischen Leid ab. Sie entfernte sich von der taberna , ging zum Wachturm hinüber und stieg langsam hinauf, um den jungen Bravo abzulösen, der Wache hatte. Er musterte sie fragend, und sie zuckte mit den Schultern.
»Sie planen den Überfall, um unsere Frauen zurückzuholen. Ich dachte, du wärst vielleicht gern dabei.«
Sein wild entschlossener Gesichtsausdruck verriet, dass dem tatsächlich so war, und er kletterte schnell nach unten. Rosa war allein mit der Wüste, bis Ex zu ihr kam. Im Laternenschein wirkten seine Gesichtszüge entsetzlich verzerrt, als ob er mit schierer Willenskraft schreckliche Gefühle unterdrückte. Damit kannte sie sich gut aus.
»Wirst du ihm je vergeben?«, fragte er.
Es hatte keinen Zweck, so zu tun, als hätte sie ihn missverstanden. Das hätte ihrer Freundschaft einen Bärendienst erwiesen. »Ich weiß nicht, ob ich das kann.«
»Er ist ziemlich fertig, Rosa. Auch ihm hat es den Boden unter den Füßen weggezogen.«
»Also glaubst du, dass er nicht gelogen hat, als er zu uns gekommen ist und behauptet hat, ein Mensch zu sein?«
Ex sah sie mit verschränkten Armen an. »Er ist immer noch ein Mensch. Er ist nur darüber hinaus noch etwas anderes. Und wenn du die Wahrheit wissen willst: Das bin ich auch.«
Sie hätte entsetzt sein und sich verraten fühlen sollen, aber das hatte sie in letzter Zeit schon zu oft erlebt, und so empfand sie nur dumpfes Erstaunen. Also hatte Chris recht gehabt. Der Test funktionierte wirklich nicht.
»Ich habe nie erlebt, dass du dich verwandelst.« Aber als sie Ex ansah, wurde ihr bewusst, dass das einiges über ihn erklärte: Seine Schweigsamkeit, seine Zurückgezogenheit, seine Distanz zum Rest der Stadt. Es gab keinen Grund, ihr jetzt davon zu erzählen, wenn es ihm gelungen
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