Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
sprach die Erwartung, dass sie ihm das Herz brechen würde. Er hatte so viel an den Wandel verloren wie sie alle. Und Rosa war so voller Vorurteile gewesen, dass sie ihren Geliebten verdammt hatte, weil er ihren Erwartungen nicht gerecht geworden war. Wenn sie Ex Vertrauen schenkte, konnte sie es Cristián erst recht nicht vorenthalten.
»Ich muss mit Chris sprechen«, sagte sie leise.
»Das habe ich mir schon gedacht.«
38
Chris hielt still und wertete die neuen Daten aus, mit denen seine Sinne ihn so unerbittlich versorgten. Rosa stand direkt hinter ihm. Woher genau wusste er das? Ihr Atem ging heftig, aber noch so beherrscht, dass sie durch die Nase Luft holen konnte. Ihr Geruch, diese ganz besondere Mischung aus Wüstenduft und der salzigen Süße einer Frau, brandete als Welle der Begierde über ihn hinweg.
Er versuchte, ihn auszublenden, sie auf Abstand zu halten, aber er konnte nichts daran ändern, was er war.
Er wappnete sich dafür, Rosas Abscheu noch einmal von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, und wandte sich langsam von der Wüstennacht ab.
Wenigstens gewährten ihm seine verstärkten Sinne eine gewisse Überraschung – zum Beispiel ihren Gesichtsausdruck, den er nie erraten hätte, bevor er ihn selbst sah. Sie schien am Boden zerstört zu sein und wirkte in ihrem Kummer fast kindlich.
Der Impuls, sie eng an sich zu ziehen, war übermächtig. Er verschränkte die Arme vor der Brust wie zu einem Schutzschild. Aber seine Körperkraft, auf die er vor dem Wandel ohnehin nie besonders vertraut hatte, würde ihm auch nicht helfen, sein Herz zu beschützen.
»Was kannst du sehen?«, fragte sie leise und stellte sich neben ihn.
Er hatte den ganzen Abend lang trainiert, aber nicht auf eine Art, die er je hätte erklären können. Die Informationen lagen einfach vor. Er hatte sich darin geübt, Instinkten zu vertrauen, die ihm Antworten gaben, die er beim besten Willen nicht hätte kennen sollen, zumindest nicht als Mensch.
»Etwa zweihundert Meter entfernt scharrt ein Fuchs unter einem Kreosotbusch.«
»Siehst du ihn?«
»Zum Teil. Der Schatten bewegt sich. Aber ich kann das Kratzen hören, kann seinen Moschusduft riechen und weiß, dass es ein einsames Männchen ist.«
Rosa seufzte erschauernd. »Du hast mir das Leben gerettet. Ich wollte dir danken.«
Die Augenblicke vor Chris’ Verwandlung, die sein ganzes Leben verändert hatte, stürzten wieder über ihn herein. Rosa auf den Knien. Eine Pistole an ihrer Stirn. Sogar jetzt, Stunden nach diesem entscheidenden Moment, verschränkte er die Arme fester. Die Erinnerung an die Gefahr, in der sie geschwebt hatte, löste den Impuls aus, sich zu verwandeln – er lauerte unmittelbar unter seiner Haut. Chris hob das Gesicht zum Himmel und konzentrierte sich – konzentrierte sich ganz aus schließlich – auf einen einzigen Stern, bis der Drang verflogen war.
Zum ersten Mal fragte er sich, ob er sich willentlich verwandeln konnte. Jenna hatte immer gesagt, dass es nur in Augenblicken der Panik oder des Zorns möglich sei, aber er hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Vielleicht wurde es mit der Zeit einfacher, sich dem Tier zu ergeben und dann seine Menschlichkeit zurückzugewinnen.
»Ganz gleich, was du jetzt von mir hältst«, sagte er, »behalt mich so in Erinnerung wie gestern Nacht. Hätte ich zulassen können, dass du getötet wirst? Nein, verdammt. Nicht wenn ich etwas dagegen unternehmen konnte. Er hätte mich genauso gut gleich mit erschießen können.« Chris zwang seinen Körper Stück für Stück, zur Ruhe zu kommen, und ließ die angespannten Arme sinken. »Also habe ich ihn angegriffen.«
»Du wusstest es wirklich nicht, nicht wahr?«
»Nein.«
»Und es ist dir wichtig, dass ich das glaube.«
Er wagte einen Blick auf ihr Gesicht und biss wieder die Zähne zusammen. Sie starrte in die Wüste hinaus, als könnte sie vielleicht auch sehen, was er sah. Ihre Atmung beschleunigte sich, und ihre Brüste hoben und senkten sich in dem flachen Rhythmus. Aber es war weder Angst noch Ekel. Rosa wirkte … nervös. Den Begriff hätte er vorher nie mit ihr in Verbindung gebracht.
»Ja«, sagte er. »Ganz gleich, was geschieht, ich kann nicht zulassen, dass du glaubst, ich hätte dich getäuscht. Das habe ich nie getan.«
»Also warst du, als du dich … verwandelt hast … genauso erschrocken und verwirrt wie ich.« Sie sah ihn an. Erstaunlicherweise glänzten Tränen im fahlen Mondlicht. »Und ich habe dich weggeschickt.«
Chris konnte
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