Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
nicht überzeugt«, sagte Falco.
Chris stieß die Tür vollständig auf, die Hände vorsorglich erhoben, als ob er sich ergeben wollte. »Ich bin hier. Und Rosa hat recht. Ich bin kein Verräter.«
Falco sah finster drein, verbiss sich aber jeglichen Kommentar. Vielleicht sah er das als die beste Gelegenheit überhaupt an, Chris sein eigenes Grab schaufeln zu lassen.
»Wo warst du?«, fragte Ex.
Keine Verdächtigungen von seiner Seite. Gut. Chris musste wissen, auf wie viele Bravos man sich beim Gegenangriff verlassen konnte.
Rosa hatte ihn immer noch nicht angesehen.
»Ich war hier«, sagte Chris. »Erst habe ich Wicker geholfen. Hat er überlebt?« Gesenkte Köpfe gaben ihm die Antwort. Er erschauerte in seinem Innersten; neuerliche Trauer überschwemmte ihn. Er atmete aus und verdrängte sie. »Ich habe drei Männer im Rathaus getötet. Dann bin ich gegangen.«
Falco lachte verächtlich. »Da spricht ein wahrer Bravo, was?«
»Rosa hat mir gesagt, dass ich gehen soll.«
Ungläubige Stimmen stellten alle möglichen Fragen auf einmal. Chris ging von der Tür zu Rosas Tisch hinüber. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben sie. Ihr Geruch war viel stärker, als er es in Erinnerung hatte. Gott, auch seine Begierde war stärker. Kraftvoller. Weniger … menschlich.
Sie war immer noch seine Frau.
Aber er würde Valle für immer verlassen, wenn sie ihm sagte, dass er gehen sollte. Er konnte nicht bleiben, wenn er sie nicht haben, ihr nicht vertrauen, sie nicht lieben konnte. Ganz gleich, wie gern Chris bleiben wollte, Rosa Cortez war seine letzte Verbindung zur Menschheit. Ohne sie würde er nirgendwo mehr sesshaft werden.
»Sagst du es ihnen«, flüsterte er, »oder soll ich?«
»Ich habe dir gesagt, dass du wegbleiben sollst.«
»Das war vor mehreren Stunden.« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Bevor ich wusste, wo Peltz sein Lager hat.«
Da sah sie ihn an. Ihre dunklen Augen, aus denen der gewohnte entschlossene Glanz verschwunden war, spiegelten nur öde, gehetzte Leere wider. Sie hatte so viel verloren. Es würde ihre Entscheidung sein, ob sie auch ihn verlieren würde. Aber schon als er das dachte, wusste er, dass sie ihren Hass auf Gestaltwandler niemals ablegen würde, und auch er selbst war so verstört über das, was aus ihm geworden war, dass er es ihr kaum verdenken konnte.
»Ich habe dich nicht belogen, Rosita. Ich wusste es nicht. Sag mir, dass du mir glaubst.«
»Wovon redet er?«, fragte Rio. »Wir haben ein Recht darauf, das zu erfahren, Rosa.«
Sie blinzelte. Chris konnte sich nicht erinnern, wann Rio sie zuletzt mit ihrem Vornamen angeredet hatte, wenn er es denn je getan hatte. Er war immer der Treueste, immer derjenige, der sich ihrem Befehl beugte.
Sie holte tief Luft. »Chris ist Gestaltwandler.«
Falco zog eine Pistole, sein Gesichtsausdruck ein stummes Ich-hab’s-dir-doch-gleich-gesagt. Ex zeigte überhaupt keine Reaktion; seine Miene war unergründlich.
Rio sackte auf seinem Stuhl zusammen. »Nun … gut. Ich meine … Du kannst uns helfen, diese Dreckskerle zu stellen.«
»Rio«, sagte Rosa warnend, »er geht. Er bedeutet uns nicht mehr als die Familie heute Morgen. Solche Leute muss man wegschicken.«
»So ein Scheiß.«
»Pass auf, wie du mit mir redest«, sagte sie und rückte vom Tisch ab.
Jameson war so still und ruhig gewesen, dass selbst Chris ihn bisher gar nicht bemerkt hatte. »Du hast den großen Kerl getötet, nicht wahr?«, fragte er nun leise. »Den im Rathaus?«
Chris nickte.
»So etwas habe ich noch nie gesehen.« Angesichts des neutralen Tonfalls überlegte Chris, ob sich bei Jameson wohl Bewunderung und Argwohn die Waage hielten.
Rio wirkte älter, als er Chris jetzt musterte. »Kannst du dich willentlich verwandeln? Wie funktioniert es?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Chris schulterzuckend. »Der Impuls überkommt mich wie das Bedürfnis zu schlafen. Ich kann mich entscheiden, ob ich ihm nachgebe oder dagegen ankämpfe.«
Rosa hatte beschlossen, sich neben Falco an die Bar zu stellen, was Chris für eine bewusste Spitze hielt. »Du hast dich wieder verwandelt, nicht wahr? Seit du die Stadt verlassen hast?«
»Ich hatte Hunger«, sagte er schlicht.
Rosa bekreuzigte sich.
Chris glaubte zu spüren, wie sich ein Messer in seinen Brustkorb bohrte. Sie hatte sich nie ihre Gefühle deutlich anmerken lassen, aber das, was nun in ihrem Gesicht stand, war Abscheu. Das Schweigen breitete sich wie eine langsame, tödliche Infektion aus.
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