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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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schulterte ihr Scharfschützengewehr und klinkte mit einer Hand den Trageriemen ein. Die Botschaft war eindeutig: Ihr Vertrauen hatte seine Grenzen.
    »Heute Nacht kannst du beim kleinsten Trupp Bravos über der taberna übernachten. Wenn du auch nur den geringsten Ärger machst, dürfen sie dich erschießen. Comprendes ?«
    »Ja. Und morgen?«
    »Morgen schwörst du mir Treue.«

5
    Rosa hatte den Ausdruck, der in Chris Welshs Augen stand, schon einmal gesehen, bei einem sterbenden Wolf, der sich ein Bein abgebissen hatte, um einer Falle zu entkommen. Es war eine ungute Mischung aus Ver zweiflung und Wildheit, gepaart mit völliger Hoff nungslosigkeit. Aus dieser Erkenntnis heraus hätte sie ihn eigentlich zwingen sollen, sofort weiterzuziehen. Solch ein Mann trug nichts zu einer Gemeinschaft bei; er tränkte sie nur mit seiner eigenen Verbitterung und setzte sie dann in Brand.
    »Ich schwöre nichts«, sagte er. »Ich will nicht zu deiner kleinen Elitetruppe gehören.«
    Im Laufe der Jahre waren immer wieder Reisende nach Valle gekommen. Nicht viele. Wenn die Wüste sie nicht holte, dann taten es Gestaltwandler, Höllenhunde, Staubpiraten, Schlangen oder Skorpione. Die meisten entschlossen sich zu bleiben, aber überzeugte Nomaden zogen lieber auf der Suche nach irgendeinem fernen El Dorado weiter. Selten kamen und gingen Händler, die man meist kein zweites Mal sah. Rosa hatte kein Problem damit, dass sie ihre Flaschen und Kanister auffüllten, Tauschhandel trieben, wenn Wicker Interesse hatte, und dann wieder aufbrachen.
    Sie hatte Chris herausfordern wollen, um zu sehen, wie er reagieren würde – und erwartungsgemäß stellten sich ihm die Nackenhaare auf wie dem verletzten Tier, mit dem sie ihn verglichen hatte. Seine Reaktion erlaubte Einblick in seinen sonst so undurchschaubaren Charakter.
    Rosa bleckte die Zähne zu einem alles andere als freundlichen Lächeln. »Wahnsinnige können wir unter unseren Bravos ohnehin nicht gebrauchen.« Anders konnte man schließlich nicht beschreiben, wie er aus der Sicherheit des Stadtgebiets hervorgestürmt war, um Höllenhunde im Nahkampf zu erlegen. »Wie ich schon sagte, kümmert sich Wicker, der den Laden betreibt, um all unsere Waren. Aber nicht jetzt. Heute Nacht bleiben alle in höchster Alarmbereitschaft.«
    »Ein altmodischer Gemischtwarenladen, hm? Er sieht uralt aus.«
    »Er ist es auch.« Rosa lachte. »Wir waren nicht die Ersten hier.«
    Es war ein Wunder gewesen, Gebäude in einem Tal vorzufinden, das sich gut verteidigen ließ und von unterirdischen Flüssen gespeist wurde. Selbst in der Trockenzeit konnte man hier überleben – zumindest gelang das den meisten ihrer Bürger. Rosa hatte sich längst damit abgefunden, dass Menschen starben und man manchmal nicht das Geringste dagegen unternehmen konnte. Obwohl sie Chris misstraute, würde sie Valle nicht die Aussicht auf medizinische Versorgung versagen, auch wenn er nicht an Menschen ausgebildet worden war. Sie mochte Ärzte ohnehin nicht. Sie wollten einem nie geradeheraus die unschöne Wahrheit sagen und versteckten sie hinter Tests und Therapien, räumten Chancen ein und hielten dann doch nicht, was sie versprochen hatten – sofern man keine Zusatzhonorare bezahlen konnte.
    »Ich falle euch nicht lange zur Last«, sagte Chris.
    »Nein. Aber nachher möchte ich mit dir über das sprechen, was du im Keller gesagt hast.«
    »Darüber, dass euer Test nicht besonders effektiv ist?«
    »Nicht so laut, estúpido .« Sie entfernte sich vom Tor, ohne sich noch einmal umzusehen. Er würde ihr folgen, wie alle Männer es taten, weil sie sie entweder fürchteten oder gern ihrem Hüftschwung zusahen. Woran es auch lag, das Ergebnis war das gleiche.
    Zu Rosas Überraschung blieb er dort, wo sie ihn hatte stehen lassen, und zog stirnrunzelnd die Augenbrauen zusammen. »Ich bin es nicht gewohnt, so genannt zu werden.«
    »Dann benimm dich auch nicht so. Komm schon.«
    Sein Seufzen war in der Stille weithin zu hören, aber dann folgte er ihr doch. Sie sagte nichts mehr, bis sie die Abgeschiedenheit ihrer casita erreicht hatten. Die Wände waren kühl und weiß, da es in der Nähe Kalkstein und Salzpfannen gab. Vor einiger Zeit hatten sie mit ihren Lkws genügend Material herbeigeschafft, um Tünche für die nächsten zehn Jahre herzustellen. Die Läufer auf dem Boden aus luftgetrockneten Ziegeln hatte sie eigenhändig gewebt. Jeder erzählte eine Geschichte, aber sie rechnete nicht damit, dass Chris es bemerken würde.

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