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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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stinkenden Geschöpfe hatte ihn zur Barmherzigkeit gemahnt. Jetzt nicht mehr.
    Die verletzte Bestie kläffte und winselte. Ihr Hinterbein war zerschmettert. Blut strömte aus einer höhlenartigen Wunde in den Eingeweiden. Der kränkliche, unnatürliche Schimmer schwarzer Magie wirbelte um den Körper des sterbenden Tiers. Verwesungsgestank drang aus dem schlaffen, hechelnden Maul hervor – so musste Schwefel riechen. Wie angemessen für Kreaturen, die diese Welt in eine Hölle verwandelt hatten.
    Mit kalten, steifen Muskeln rammte Chris der Bestie den Stab in den Schädel. Ein Ruck, und das war’s.
    Ein anderes Monster röchelte hinter ihm. Chris wirbelte herum und rammte dem Tier die Stiefelspitze in die Eingeweide, wieder und wieder. Immer heftiger. Ein alter Zorn floss in jeden Tritt mit ein. Seine Brust fühlte sich an, als wäre sie von Flammen umlodert. Er trat auf das Ungeheuer ein, bis seine Gedärme auf den Wüstenboden quollen und ins Wabenmuster seiner abgetragenen Wanderstiefel eindrangen.
    Schweiß tropfte ihm in die Augen, und er ließ sich auf alle viere fallen.
    »Scheiße«, flüsterte Rosa.
    Sogar die Wüste schien den Atem anzuhalten. Chris erschauerte. Seine Fingerspitzen und die Rückseiten seiner Oberschenkel waren taub geworden. Langsam, als erwachte er aus einer tiefen Trance, stand er auf und wischte sich den Schleim von den Händen.
    Je näher er ihnen kam, wenn sie starben, desto befriedigender war es. Oder vielleicht gefiel es ihm einfach, das Schicksal herauszufordern. Aber ganz gleich, wie erbittert er den Kampf auch führte, Ange war immer noch tot.
    »Zurück in die Stadt«, sagte Rosa leise. »Noch fünf Minuten, dann könnt ihr Entwarnung geben.«
    Chris hatte sich ihre Namen ins Gedächtnis eingeprägt – Hector und Manuel. Sie kehrten in die Stadt zurück, und Rosas Zielstrebigkeit verlieh ihrem Auftreten Autorität.
    »Du hast gesagt, du wärst Arzt.« Sie hob das Kinn. »Hast du das ernst gemeint?«
    »Ja«, sagte er und wischte sich immer wieder die Handflächen an den Jeans ab. Seine Stimme zitterte weniger, als nach dem, was er gerade getan hatte, zu erwarten gewesen wäre. »Ich bin kein promovierter Mediziner, aber ich habe einen Doktor in Verhaltensforschung. Heutzutage haben die meisten Leute in der Hinsicht nichts Besseres vorzuweisen; und wenn es um Gestaltwandler geht, dann ist es ein Vorteil, sich ein wenig mit Tieren auszukennen. Ich habe schon im ganzen Westen Patienten behandelt.«
    »Haben sie dich wegen ärztlicher Kunstfehler wieder verjagt?«
    »Nein.« Sein Hals fühlte sich an, als hätte er eine zerbrochene Glasflasche verschluckt. »Ich bin einfach nirgendwo geblieben.«
    Blutige Erinnerungen traten vor sein inneres Auge. Anges rotblondes Haar hatte ihn fasziniert. Blutge tränkte Strähnen hatten ihr an der Stirn geklebt, als sie gestorben war. Später, nach dem Ende all der Kämpfe, hatte er sich gezwungen, genau anzusehen, was von ihrem Körper noch übrig gewesen war. Sie hatten ihr die Kleider vom Leib gerissen, ein zerfetztes, lebloses Ding aus ihr gemacht. An den Augenblick würde er sich immer erinnern.
    Schuldgefühle sammelten sich in seinen Muskeln an wie Milchsäure nach einem anstrengenden Lauf.
    »Eben bist du mir aber nicht gerade wie ein Arzt vorgekommen«, sagte Rosa.
    »Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich erst ein kleines Gebet gesprochen hätte?«
    »Warum?«
    Chris musterte die Frau forschend. Die Fältchen rechts und links ihrer Nase waren jetzt tiefer eingegraben, straff gespannt. Die Belastung des Lebens in ständiger Verteidigungsbereitschaft forderte von der Anführerin ihren Tribut, aber sie hätte ihm sicher eher mit den Daumen die Augen herausgedrückt, statt das zuzugeben. Ihre stumme, stoische Entschlossenheit schnürte ihm die Brust so zusammen, dass er nicht tief genug atmen konnte.
    Vielleicht konnte er hier etwas Gutes tun, bevor er weiterzog. So viel Hilfe hatte sie immerhin verdient.
    »Also … kann ich bleiben? Lange genug für etwas Tauschhandel, Jefa ?«
    »Du sprichst meinen Titel so spöttisch aus.«
    »Das ist kein mangelnder Respekt.«
    Wieder suchte sie sein Gesicht nach etwas ab, hielt nach einem Grund Ausschau, ihn so leidenschaftslos niederzuschießen wie eine dieser Bestien. Aber er meinte es ernst. Sie hielt mit schierer Willenskraft dieses Fleckchen Zivilisation zusammen, und dafür bewunderte er sie. Also ertrug er ihren prüfenden Blick mit so versteinerter Miene wie einer ihrer Bravos.
    Rosa

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