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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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gewesen, die immer weiter vom rechten Weg abführte.
    »Du sagst das niemandem sonst«, befahl sie.
    Er zuckte mit den Schultern. »Es geht mich nichts an, welchen Aberglauben du verbreitest. Ich bin schließlich nur auf der Durchreise.«
    Wir brauchen ein neues System … Das alte ist fehlerbehaftet.
    Während Rosa sich über das Problem Gedanken machte, nahm er eine Fruchtscheibe, als ob er damit rechnete, dass sie ihn vergiften würde. Rosa schluckte ein Seufzen hinunter und suchte sich selbst ein Stück aus. Sie aß es betont, um zu beweisen, dass damit alles in Ordnung war, und stürzte dann ihren Wein hinunter. Viv wurde immer besser: Dieses neue Gebräu war leicht und süß, ohne jeden säuerlichen Agavennachgeschmack.
    »Iss, so viel du willst«, sagte sie. »Ich vermute, es ist lange her, dass du zuletzt frisches Obst gegessen hast.« Doch er zeigte keine Anzeichen von Mangelernährung: keine geschwollenen Gelenke, kein schwärzliches, blutendes Zahnfleisch. Vielleicht hatte er unterwegs Pflanzen gefunden. Auch das deutete darauf hin, dass er schwierige Situationen kreativ meisterte.
    Der Mann antwortete nicht, sondern nahm sie stattdessen beim Wort. Er aß die Hälfte der Kaktusfeigen und trank dann einen Schluck aus dem Becher. »Was ist das bloß?«
    »Agavenwein. Wir haben auch tiswin , Bier aus Saguarokakteen. Und Honigmet.« Das waren bis auf den Wodka, den sie erbeutet hatten, alle alkoholischen Getränke, die es hier gab, und auf solche glücklichen Zufälle konnte man sich nicht verlassen. Die Tüchtigsten lernten, allein zurechtzukommen.
    Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen hatte Chris immer noch Hunger. Da es schon so spät war, musste das Gemeinschaftsessen mittlerweile beendet sein. Rosa stand auf und zog einen mit Stoff umwickelten Korb aus dem Schrank. Das dunkle Sauerteigbrot aus Buchweizenmehl war schon ein paar Tage alt, roch aber immer noch gut und aromatisch. Weil es gegen Anfang der Woche war, hatte sie auch frischen Käse. Wicker war damals mit drei unterernährten Ziegen, unter denen ein Bock gewesen war, hier eingetroffen. Die Tiere hatten sich mittlerweile zu einer kleinen Herde vermehrt, um die er sich äußerst liebevoll kümmerte und die genug Milch für die Siedlung lieferte. Der alte Mann war anders als alle anderen nicht von weither gekommen, und er hatte alles mitgebracht, was er in seinen uralten Pick-up-Truck hatte zwängen können, darunter auch die Ziegen. Daraus und aus seinem Geschick bei Handel und Buchführung hatte Rosa den Schluss gezogen, dass er früher einmal Farmer gewesen sein musste.
    Rosa setzte Chris Brot und Käse vor und reichte ihm ein Messer, das sie aus abgestorbenen Saguaroästen geschnitzt hatte. Nachdem er sie einen Moment lang gemustert hatte, tauchte er das Messer in den Tontopf und bestrich das Brot mit dem cremigen Käse. Er aß, als hätte er seit Jahren keine anständige Mahlzeit mehr bekommen. Sie wollte kein Mitleid mit ihm haben, doch sie wusste, wie es war, sich allein in der Wildnis durchzuschlagen.
    »Danke.«
    »Ich würde das Gleiche für jeden anderen tun. Was glaubst du, warum die Leute hierbleiben?«
    »Das muss an deinem angeborenen Charme liegen.«
    Die schlagfertige Antwort ließ sie überrascht auflachen. Im Kreise der Bravos ließ sie es nie an feierlichem Ernst fehlen, weil sie nicht wollte, dass sie auch nur einen Augenblick lang vergaßen, wer sie war. Sie lachte nie. Ja, dieser güero war gefährlich.
    »Lass es mich wissen, wenn du satt bist, dann bringe ich dich zu deinem Zimmer über der taberna .«
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Glaubst du, dass ich eine Eskorte brauche?«
    »Ich vertraue dir nicht. Du hast zugegeben, dass du dich mit Gestaltwandlern abgibst.« Sie straffte resolut die Schultern. »Das heißt, dass du zumindest mit ihnen sympathisierst, oder noch schlimmer.«
    »Sie sind nicht alle böse«, sagte er leise. »Wie bei Menschen kommt es auf ihren Charakter an. Wenn sie einen nicht sofort angreifen …«
    Rosa schlug mit der Handfläche auf den Tisch. »Sie können einen mit ihrer Seuche anstecken. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, pendejo : Die Monster sind dabei, die Oberhand zu gewinnen. Wir Menschen sind jetzt in der Minderheit.«
    Er verstummte und aß auf. »Dieser Ort ist wunderbar. Ich habe seit Jahren kein Brot mehr gegessen.«
    »Wir sind stolz darauf«, sagte sie ein wenig besänftigt. »Bist du fertig?«
    Chris nickte und stand vom Tisch auf. Aus dem schattigen Innern ihres

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