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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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»Ja, ich weiß. Rosa hat mir alles erklärt. Aber glaub mir, ich bin nicht wählerisch. Heutzutage ist jeder, der jemals einen Anatomiekurs besucht hat, schon so gut wie ein Starchirurg.«
    »Hast du schon einmal ein Baby bekommen?« Um seiner selbst willen hoffte er von ganzem Herzen, dass die Antwort darauf ja lautete. Aber wenn das zutraf, hätte es auch bedeutet, dass sie das Kind verloren hatte.
    Ihr Gesichtsausdruck verriet nicht die Spur einer solchen Melancholie. Sie lächelte breit und schlang sich die Hände um den Bauch. Ein Sommerkleid, das an Rosa Cortez locker gesessen hätte, spannte sich straff um Tillys hochschwangeren Leib. »Nein, das hier ist das erste, auch für Jameson. Kannst du dir vorstellen, in Zeiten wie diesen so glücklich zu sein? Es kommt mir fast unangemessen vor.«
    Chris zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hast du es dir verdient.«
    »Ich freue mich natürlich für Jameson und auf das Baby, aber auch für Rosa. Wir sind vor ungefähr zwei Jahren ohne alles in die Stadt gestolpert. Sie hat uns aufgenommen, wie alle anderen auch.« Eine gewisse Schwermut stahl sich in ihr strahlendes Lächeln. »Ich weiß, dass für sie viel davon abhängt, ob ich diese Geburt gut überstehe. Ganz Valle könnte eine gute Nachricht gebrauchen.«
    »Eine gute Nachricht?«
    »Na, ein Baby bedeutet doch einen Neuanfang, nicht wahr?«
    Chris fragte sich schaudernd, in was er da hineingeraten war. Die Last der Hoffnung einer ganzen Stadt schien auf dieser munteren Blondine, ihrem ungeborenen Kind und ihm zu ruhen. Er hatte doch nur Tauschhandel treiben und dann weiterziehen wollen! Aber jetzt … verstrickte er sich in irgendetwas. Etwas Persönliches. Teile von ihm, die seit Jahren auf Reisen waren, freuten sich über diese Aussichten nicht unbedingt. Nach zwei Scheidungen und mehr Zeit auf der Flucht vor menschlicher Gesellschaft als auf der Suche danach wusste er, dass er für längerfristige Bindungen ungeeignet war.
    »Wie ich schon sagte«, murmelte er, »ich kann nicht mehr versprechen, als mein Bestes zu tun. Du musst dich schonen, aber auch darauf achten, dich regelmäßig zu bewegen. Geh spazieren, so viel du kannst, um deine Muskeln fit zu halten. Du wirst sie brauchen.«
    Und das war ehrlich gesagt alles, was er tun konnte. Ein Frauenarzt aus früheren Zeiten hätte ihren Urin, ihren Blutdruck und die Weitung des Muttermundes überprüft. Chris hatte weder die nötigen Instrumente noch das Fachwissen, um auch nur eines davon zu tun.
    Du bist mir ein schöner Arzt!
    Aber diese eifrige Frau konnte die Last seiner Zweifel nicht gebrauchen.
    »Das tue ich, Chris. Es macht dir doch nichts aus, wenn ich dich Chris nenne?«
    Er lächelte bezaubert. Sie hatte eine wie Champagner sprudelnde Persönlichkeit. »Nicht das Geringste.«
    »Und wenn du irgendetwas brauchst, lass es mich einfach wissen. Jameson ist ein sehr guter Jäger. Er erlegt alle Eidechsen, die ich rufe.«
    Chris blinzelte. »Wie bitte?«
    Sie rieb sich wieder den Bauch. »Ist das nicht seltsam? All diese unerklärlichen Vorgänge. Eines Morgens bin ich aufgewacht und habe eine Eidechse neben mir auf einem Felsen sitzen sehen. Jameson und ich hatten seit Tagen nichts gegessen. Er hat sie gefangen. Wir waren verzweifelt und haben sie gegessen. Danach … musste ich einfach nur an eine Eidechse denken, und schon kam eine angelaufen.«
    »Das meinst du ernst.«
    »Natürlich. Ich versuche es nicht mehr zu tun, weil wir das Fleisch nicht mehr benötigen und ich die Gabe nicht missbrauchen will.« Sie zuckte mit den Schultern, während Chris versuchte, sich mit der Merkwürdigkeit abzufinden, dass diese heitere Frau ganz offen davon sprach, Eidechsen zu rufen. Und sie zu essen.
    Aber so war der Wandel eben. Chris konnte entweder die ganze Irrationalität akzeptieren oder verrückt werden, und er hatte sich schon längst entschlossen, Ersteres zu tun.

7
    An jenem Nachmittag arbeitete Rosa im Garten. Wie bei allen Aufgaben teilten sich die Stadtbewohner die Verantwortung dafür, und so kamen auch die Männer regelmäßig an die Reihe, aber heute rackerten sich Mica, Abigail und Ingrid neben Rosa ab, jäteten Unkraut und ernteten Früchte. Um den Bedarf der Gemeinschaft zu decken, konnten sie nicht viele Nahrungsmittel einlagern, sondern mussten stattdessen Obst und Gemüse verzehren, sobald sie reif wurden.
    »Was hältst du von dem neuen Typen?«, fragte Mica und stützte sich auf ihre Hacke. Sie war nicht hübsch, aber sie hatte einen

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