Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
auszubauen, den sie sich in ihrer Jugend angeeignet hatte. Wenn Ingrid den Eindruck hatte, dass größere Schlachten ihre Schatten vorauswarfen, würde Rosa gut daran tun, auf ihre Warnung zu hören.
Sie verstaute die Gartengeräte im Schuppen. »Was empfiehlst du?«
Ingrid zuckte mit den Schultern. »Wir haben ja schon Patrouillen da draußen, die versuchen, ihren Schlupfwinkel aufzuspüren. Aber bis jetzt haben wir immer nur verlassene Lagerplätze gefunden. Kalte Asche. Abfall. Bis jetzt sind sie uns immer einen Schritt voraus.«
»Ich wüsste gerne wie«, murmelte Rosa. »Sie sind ja nicht unbedingt gut organisiert.«
»Zumindest waren sie es bisher nicht.«
»Glaubst du, dass Peltz so klug ist?« Dios , das wollte sie nicht hoffen.
»Schwer zu sagen, aber irgendetwas macht er bei den ständigen Ortswechseln richtig. Er ist aber immer in Schlagdistanz, und das macht mich nervös.«
»Da stimme ich dir zu.«
Sie ging mit Ingrid zur taberna hinüber und grübelte über das Problem nach. »Fällt dir eine Möglichkeit ein, ihnen eine Falle zu stellen?«
»Wie denn? Sollen wir eine nackte Frau an einen Felsen fesseln?«
Rosa lachte gegen ihren Willen. » Cabrona . Daran habe ich nun nicht gerade gedacht.«
»Dann nein, zumindest nicht aus dem Stegreif. Ich denke aber weiter darüber nach und sage dir Bescheid, wenn mir irgendetwas einfällt.«
» Gracias .« Als Ingrid gerade die taberna betreten wollte, berührte Rosa sie am Arm. » Oye , ich möchte dir noch etwas sagen.«
»Kannst du es mir bei einem Drink erzählen?«
» Claro .«
Drinnen war es schattig und kühl. Zwischen den Mahlzeiten hielten sich hier nur wenige Stadtbewohner auf. Qué bueno. Das hier war nicht für fremde Ohren bestimmt, weil Falco völlig durchdrehen würde, wenn er Wind davon bekam. Rosa suchte sich einen Tisch aus, während Ingrid zwei Becher tiswin holte. Sie hatten keine Eiswürfel, aber sogar lauwarmes Bier schmeckte nach der Arbeit in der heißen Morgensonne gut.
»Was ist los, Rosa?«
Ingrid kam für sie einer Freundin am nächsten. Obwohl Rosa die anderen Mädels durchaus mochte, strahlten sie eine Weichheit aus, für die sie kein Verständnis hatte. Ingrid dagegen war aus ihr vertrautem Stahl geschmiedet. Diese Frau würde mit Zähnen und Klauen bis zum letzten Atemzug kämpfen. Ihre hellblauen Augen leuchteten vor Kraft und Mut.
»Falco setzt mich in letzter Zeit unter Druck. Da die Überfälle von Plünderern immer schlimmer werden und die Vorräte zur Neige gehen …« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß einfach nicht, was die Zukunft bringt. Für den Fall, dass mir etwas zustößt, möchte ich, dass du an meine Stelle trittst. Lass nicht zu, dass er Valle unangefochten beherrscht.«
»Du bittest mich, deine Nachfolgerin zu werden? Hast du böse Vorahnungen oder so etwas?« Die Frage war nicht sarkastisch gemeint. Seit dem Wandel hatte sich vielfach erwiesen, dass seltsame Kräfte am Werke waren. In Valle waren Tilly und Bee die auffälligsten Beispiele dafür, aber auch andere behaupteten, bisweilen einen Blick auf die Zukunft erhaschen zu können. Es hätte Rosa nicht erstaunt zu erfahren, dass auch stärkere Magie existierte.
»Ich versuche nur, auf alles vorbereitet zu sein«, sagte sie.
»Ich verstehe. Und ich verspreche, ihn nicht einfach machen zu lassen.«
» Gracias .« Rosa stürzte ihr Bier hinunter und stand auf. »Ich gehe dann mal zu Bee und frage, wie es um die Bienenstöcke steht.«
»Sie redet immer noch nicht, was?«
»Nicht so richtig. Ich weiß nicht, ob sie es nicht kann oder ob sie einfach nicht will.«
»Solange sie uns mit Honig versorgt, können wir uns wohl nicht darüber beschweren.«
Rosa vermutete schon seit Langem, dass Bees Fähigkeit, ihre Bienen zu beherrschen, übernatürlich war – und dass sie im Zweifelsfalle jedem, der sie verärgerte, einen Schwarm zorniger, stechender Insekten auf den Hals schicken konnte. Unter anderem deshalb bestand Rosa nicht darauf, dass die Frau eine größere Rolle in der Gemeinschaft übernahm.
Aber einmal in der Woche besuchte Rosa sie und brachte ihr Vorräte, um sie gegen Honig einzutauschen. Obwohl Bee innerhalb des Stadtgebiets lebte, war sie die Person in Valle, die einer wunderlichen Einsiedlerin am nächsten kam. Die meisten Bravos munkelten, dass die Magie, die durch ihre Adern strömte, sie in den Wahnsinn getrieben hätte.
Rosa ging kurz im Laden vorbei und stellte mit Wickers Hilfe einen Korb zusammen. Der alte Mann
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