Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
der Isolation verrückt geworden. Wenigstens lagen keine Leichen auf den Straßen, dafür hatten der Sand und die Höllenhunde gesorgt.«
Rudel? Das lenkte Rosa so ab, dass sie kaum hoffen konnte, sich auf das zu konzentrieren, was er sonst noch gesagt hatte. Die Vorstellung, dass die Monster soziale Wesen waren und miteinander kooperierten, bereitete ihr Übelkeit. Aber Falco kam schon zu ihnen herüber, bevor sie Chris weitere Fragen stellen konnte. Die Party löste sich mittlerweile auf, und es schien ihm nicht zu gefallen, wie lange sie mit dem Neuen geredet hatte.
»Stell mich ihm vor«, sagte er mit zusammengekniffenen Augen.
Rosa warf den Zopf über eine Schulter zurück und starrte den Mann nieder. »Es steht dir nicht zu, Forderungen zu stellen, Falco.«
10
Rosa räumte nicht das Feld, sondern ging als Siegerin vom Platz. Das war eine Leistung. Sie wandte sich ab und schritt schmerzhaft langsam davon, aber so gehörte der Abgang ihr ebenso wie die Loyalität aller in der Stadt.
Abgesehen vielleicht von Falco. Was ihn betraf, stand das noch nicht fest.
Chris war nicht nur aus wissenschaftlicher Neugier wie gebannt. Die Jahre, die er damit verbracht hatte, das Verhalten von Tieren zu erforschen, erleichterten es ihm, die Zeichen zu deuten: angespannte Schultern, starre Blicke ohne jedes Blinzeln, einschüchternde Körperhaltungen. Aber er beobachtete Rosa und Falco auch aus einem tiefen persönlichen Interesse heraus. In dieser Auseinandersetzung ging es nicht nur um Sex: Die beiden rangen zugleich um die Herrschaft über Valle de Bravo.
Bei den Tänzern und ihren Bewunderinnen kam Wicker mit seiner flotten Gigue zum Ende. Die trockene abendliche Wüstenbrise strich über Chris’ Wangen und Hals, doch im Vergleich zu der Hitzewallung, die die Aufmerksamkeit ausgelöst hatte, die ihm galt, war die Luft kühl. Das hier konnte er nicht gebrauchen. Rosa war in noch höherem Maße tabu als die Todeszonen. Und Chris selbst … hätte weiterziehen sollen. Das würde er auch tun. Bald. Niemand konnte einen Stachel wie ihn im Fleisch gebrauchen.
Aber er hatte Rosa versprochen zu bleiben, und trotz seiner Vorbehalte dagegen, neues Leben auf diese Welt zu bringen, musste er zugeben, dass Tillys Optimismus und ihre Zufriedenheit berauschend wie eine Droge waren. Er würde für die Frau tun, was er konnte.
Im Augenblick allerdings wollte er mehr als nur die Erlaubnis, zu essen und sich zu erholen. Er hatte weit größeres Interesse an Rosa selbst.
Chemie und Libido. Gefährliche Dinge.
»Folgst du ihr?«, fragte Chris in gleichmütigem Ton.
»Um eine Handvoll Saguarostacheln ins Gesicht zu bekommen? Nein, zum Teufel«, erwiderte Falco und setzte flüsternd etwas hinzu, das wie »verklemmte Zicke« klang.
»Na dann«, sagte Chris, vor allem, um festzustellen, was der andere tun würde. »Ich glaube, ich mache einen Versuch.«
Falco strich sich die Haare aus der Stirn. »Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.«
»Warum?«
»Im besten Fall kommst du bei ihr so weit, dass sie dir nicht die Eier abreißt, aber dann bekommst du es mit mir zu tun.«
Chris nickte. »Mit dem furchterregenderen Gegner habe ich mich dann wohl schon angelegt.« Er klopfte Falco auf die Schulter. »Schlaf gut.«
»Was, pendejo ?«
»Das scheint hier mein neuer Name zu sein. Ist ›Chris‹ zu nichtssagend?«
»Du wirst dich hier nicht lange halten, wenn du weiter solchen Blödsinn redest.«
»Tut mir leid, mein Freund, aber noch einmal: Ich habe schon Schlimmeres überlebt. Das haben wir alle.«
Er ging in die Nacht davon, weg von der Party, und folgte Rosa in einigem Abstand. Der Abend strahlte eine stille Lebenskraft aus. Die Geräusche der Wüste drängten ihn, seine Sinne zu öffnen. Er hatte es sich angewöhnt, zu später Stunde in der Dunkelheit zu wandern. Nicht aus dem Bedürfnis heraus, Kräfte zu sparen oder Ärger aus dem Weg zu gehen. Um Wasser zu finden, brauchte man nur Geduld, und die Kreaturen waren nachts aktiver als tagsüber.
Nein, es gefiel Chris einfach. So war es schon immer gewesen. Vielleicht hatte er auch deshalb wieder begonnen, draußen in der Wüste zu schlafen, obwohl er sein kleines Privatquartier über Wickers Laden hatte. Er wusste selbst, dass es nicht sinnvoll war, die sichere Stadt zu verlassen. Aber die Menschen, die Geschäftigkeit – er hatte sich seit Jahren nicht mehr so beengt gefühlt. Er zog sich in die Höhlen in einer Hügelkette vor der Stadt zurück, um der Betriebsamkeit von
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