Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
Brust blickte sie sich um.
Ich habe es geschafft. Das hier sind meine Leute.
Und dann ertönte der Schrei von Rio am Tor: »Da kommen Plünderer!«
Rosa entsicherte ihre Pistole und lief los.
2
Einen Monat später
Chris fuhr aus dem Schlaf hoch und setzte sich halb auf. Ein Stein drang ihm in die Handfläche. Er kniff die Augen in der farbenprächtigen Frühlingsdämmerung zusammen, sah sich nach seiner Waffe um und stellte fest, dass sie schussbereit neben ihm lag, aber er hörte nichts Bedrohliches. Die abgelegene Felsspalte, in der er die Nacht verbracht hatte, war wie ein vertrauenswürdiger Partner, der einem den Rücken deckte.
Nachdem der letzte Rest seiner Schläfrigkeit verschwunden war, schob er sich aus der Felsspalte hervor und ließ den Blick über die Schlucht ringsum schweifen. Kreosotbüsche, deren Wurzeln in den winzigsten Unebenheiten Halt fanden, blühten an dem zerklüfteten Hang aus zerfurchtem Kalkstein. Ein Specht machte Lärm und erinnerte Chris an die ersten paar Monate, nachdem der Wandel über die Westküste hereingebrochen war. Damals hatte es keine Spur von Wildtieren gegeben, nicht einmal von Insekten, bis die Dämonenhunde sich halb verhungert und geschlagen zurückgezogen hatten. Dass noch so viele natürliche Geschöpfe auf der Welt lebten und gediehen, hätte Grund genug sein sollen zu lächeln, aber Chris wusste kaum noch, wie das ging.
Er überprüfte seine Beretta in ihrem Holster und ließ sich gegen die kalte, solide Felswand sinken. Ein Traum musste ihn geweckt haben. Er schloss die Augen und versuchte, während er schon eine Gänsehaut bekam, die letzten paar Augenblicke seines Schlafs noch einmal zu durchleben, in der Erwartung, Erinnerungen an Blut zu finden. Aber die Bilder, die ihm noch im Gedächtnis hafteten, waren nicht so brutal. Er sah einen Hauch von Weiß, ein Aufblitzen von hellblondem Haar.
Wann immer er von Penny träumte – dem Kind, das er zurückgelassen hatte, nachdem die Mutter des kleinen Mädchens gestorben war –, ging er nach Süden … und fand stets etwas Bemerkenswertes. Einmal war er gerade noch rechtzeitig auf Wasser gestoßen, um seinen ausgedörrten Körper vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Ein andermal hatte er ein junges Mädchen gefunden, das sich auf einem Baum versteckt hatte, um einem Rudel Dämonenhunden zu entkommen, und danach zu große Angst gehabt hatte, wieder herunterzuklettern. Zum Dank für seine Hilfe hatten ihr Bruder und ihre Mutter ihre mageren Vorräte mit ihm geteilt.
Widerwillige Neugier lockte ihn auf die Beine. Nachdem er sich rasch erleichtert hatte, packte er seine Sachen und trat ins unbarmherzige Tageslicht hinaus.
Er kletterte das niedrige Ufer dessen, was einst ein Fluss gewesen sein mochte, hinauf und gestattete sich, über Penny nachzudenken. Es war das Beste, dass sie jetzt bei seinen Freunden Jenna und Mason lebte. Nach Anges Tod hatte er es nicht fertiggebracht, über die Schneeschmelze im Frühling hinaus bei ihnen zu bleiben.
Und Chris war allein. Auch das war das Beste.
Er erreichte den oberen Rand des Hangs und blickte in die Wüste hinaus. Die Farben der Morgenröte lagen noch immer über der Landschaft, aber trockene Hitze, die ihm den Nacken versengte, verriet, wie der Tag aussehen würde, der vor ihm lag. Er kratzte sich durch den Bart hindurch am Kinn und versuchte festzustellen, ob irgendetwas ungewöhnlich war. Keine Stimmen. Kein Kribbeln, das darauf hingedeutet hätte, dass noch ein Mensch anwesend war.
Aber dann ertönte ein unerwartetes Geräusch – ein altes Geräusch, das er erst nach einer ganzen Minute einordnen konnte.
Lastwagen.
Was zur Hölle …?
Er verhielt sich ganz still und beugte sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam, als könnte das Unglaubliche dadurch realer werden.
Lastwagen.
Er lief los. Auf seinem Weg durchs Land immer weiter nach Süden hatte er dann und wann funktionierende Fahrzeuge gesehen und erlebt, was für einen Ärger sie einem bescheren konnten. Benzin war knapp geworden, und die Besitzer waren rasch mit dem Finger am Abzug, wenn es darum ging, ihr kostbares Eigentum zu schützen.
Aber er hatte seit dem Vorher kein so volltönendes, kräftiges Motorengeräusch mehr gehört – es war fast wie Feierabendverkehr – oder Coffeeshops oder das Weiße Haus. Etwas Altes. Er hielt sich nicht länger zurück, sondern rannte weiter, so schnell er konnte. Mittlerweile staunte er nicht mehr darüber, wie wunderbar seine Beine auf einen solchen
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