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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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die Wade gebissen hat. So etwas kommt schließlich vor.« Chris trat näher heran – aber nicht so nahe, dass Brick ihn mit einem Sprung hätte erreichen können. Aus dieser Distanz konnte er ihn nicht verfehlen. Der schwellende Muskel an Bricks Kiefer verriet ihm, dass sein Gefangener das alles auch wusste. »Aber denk nicht einmal daran, um Hilfe zu rufen. Du wärst dein Gehirn schon los, bevor sie dich auch nur hören würden.«
    »Sie könnten meine Hilfe aber immer noch brauchen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Chris und ließ den Blick kurz zum Talgrund huschen. »Sie scheinen alles ziemlich gut im Griff zu haben. Wie willst du nachher wieder zu ihnen stoßen? Hast du auch ein Fahrzeug?«
    »Ja. Zweihundert Meter östlich von hier.«
    Chris ging um seinen Gefangenen herum, bis sie einander ins Gesicht sahen. »Hör mal, ich bin Arzt.« Das war eigentlich eine Lüge, aber dank all der Jahre, die er damit verbracht hatte, die Anatomie von Tieren zu studieren, war er den meisten Leuten, die es auf der Welt noch gab, in dieser Beziehung Lichtjahre voraus. »Ich schlage dir einen Handel vor. Wenn du mich mit in euer Lager nimmst, biete ich dort eine Woche lang meine Dienste an.«
    Brick sah finster drein. Hinter seinem eindringlichen Blick arbeitete sein Gehirn. »Was willst du im Gegenzug?«
    »Essen, Wasser, Munition. Nicht übertrieben viel. Nur genug, um meine Reise fortsetzen zu können.«
    »Und wenn ich es nicht tue?«
    »Ich will dir nicht in den Oberschenkel schießen, aber ich werde es tun. Deine Leute werden nach dir suchen, aber vielleicht treffen sie nicht rechtzeitig hier ein, um die Blutung zu stillen.« Chris kniff die Augen zusammen. Nacken und Schulterblätter prickelten vor Anspannung. »Ich kann nicht zulassen, dass du mich verfolgst, tut mir leid.«
    »Woher soll ich wissen, dass du nicht lügst?«
    Chris schob sich seitwärts zu seiner Tasche hinüber, öffnete mit der linken Hand den Reißverschluss und hielt sie schräg, sodass Brick den Inhalt sehen konnte. »Mikroskop. Skalpellset. Verbandszeug. Siehst du?«
    »Ja. Aber wenn du Arzt bist, wirst du nicht auf mich schießen.«
    Ein grausames Lachen brach aus Chris’ Mund hervor. Er hatte noch nicht einmal gespürt, wie es in ihm aufstieg. »Dann lass es mal darauf ankommen. Und frag dich, woher ich die Kleider habe, die ich trage. Ich tue nichts, wenn man mich nicht provoziert, aber es wäre ein Fehler zu glauben, dass ich wehrlos bin.«
    Brick riss die Augen auf. Was er in Chris’ Gesicht sah und in dessen Stimme hörte, reichte ihm wohl.
    »Klar«, sagte er. » La jefa würde es sicher gefallen, wenn ein Arzt vorbeikommt. Ein paar von uns könnten eine Untersuchung gebrauchen.«
    La jefa ? Ein weiblicher Boss. Interessant.
    Unten im Canyon erwachten die Laster dröhnend zum Leben und knurrten mit lautem Motor den Himmel an. Das Echo klang, als würde sich unter der Erde ein Ungeheuer brüllend in Bewegung setzen.
    »Gut. Gehen wir.« Chris hob seine Tasche auf und machte eine Bewegung mit der Beretta. »Halt weiter die Hände oben.«
    Ein Motorrad stand unmittelbar östlich von ihnen, wie Brick es beschrieben hatte.
    »Deins?«, fragte Chris und nickte zu der glänzenden Maschine hinüber.
    Brick fuhr mit einer großen, breiten Handfläche über den Ledersitz. »Schön, nicht wahr?«
    Kein chromblitzender Chopper und auch kein japanisches Modell. Das Motorrad sah aus, als sei es aus Rohren und Wellblech zusammengeschweißt, sodass es kaum seinen Zweck erfüllte und sicher gefährlich war – aber es wirkte liebevoll gepflegt. Ein Fahrzeug bedeutete Wahlmöglichkeiten, Wahlmöglichkeiten wiederum größere Überlebenschancen. Und wenn Brick der Mann war, der dieses Gefährt fahrtüchtig hielt, dann stand das Motorrad auch für seinen Stolz auf seine Arbeit.
    Früher hatte Chris sich vor den Menschen versteckt und sich stattdessen auf die Lebensweise und die Rhythmen der Pumas konzentriert. Einzelgängerische Wesen. Große Reviere. Aber die letzten fünf Jahre hatten seine eigene Spezies in ein neues, schmeichelhafteres Licht gerückt – genauso animalisch, aber mit Schläue und Einfallsreichtum gesegnet, die sie wie eine Kerze mit schrumpfendem Docht leuchten ließen.
    Es gibt nur noch so wenige von uns.
    Bricks Stammesgenossen – wer auch immer sie waren – schienen sich ein gewisses Maß an Technik und Ordnung bewahrt zu haben. Sie hatten Fahrzeuge, waren organisiert und bewohnten eine Art Siedlung. Chris wollte sie unter anderem

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