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Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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Impuls reagierten. Nach fast vier Jahren auf Wanderschaft hätte er sich selbst im Spiegel nicht wiedererkannt. Hart erkämpfte Widerstandsfähigkeit wohnte jedem Muskel inne.
    Auf der nächsten Anhöhe robbte er auf dem Bauch vorwärts und blickte nach unten. Die Brille, die er jahrelang getragen hatte, um eine leichte Hornhautverkrümmung auszugleichen, war schon oben in Colorado zerbrochen, aber er brauchte sie nicht, um die fernen Überreste einer zweispurigen Schnellstraße zu sehen. Vor langer Zeit hatten Ingenieure eine Schlucht mitten durch ein breites Granitplateau gesprengt. Die Straße wand sich wie ein Fluss hindurch. Da heute keine Straßenarbeiter mehr ständige Wartungsarbeiten durchführten, war der erhitzte Asphalt mittlerweile von zahlreichen Rissen durchzogen. Trotz der Blumen und Gräser, die jede dieser Spalten säumten, fühlte Chris sich an runzliges Narbengewebe erinnert.
    Er vergrub die Finger in der kühlen, trockenen Erde. Wartete. Vom westlichen Horizont her kamen die Lastwagen angerollt. Chrom blitzte im Sonnenlicht, und die Reifen wirbelten Staub auf.
    Woher kamen sie? Wer fuhr sie? Und wo zur Hölle hatten sie genug Benzin aufgetrieben, um mit hundert Stundenkilometern dahinzurasen?
    Das Geräusch einer Schusswaffe, die entsichert wurde, ließ Chris’ Blut zu Eis erstarren.
    »Keine Bewegung!« Eine Männerstimme. Tief. Mit Südstaatenakzent.
    Chris lag still, die Wange an die Erde gedrückt. Die Beretta an seiner Hüfte hätte ebenso gut in Oregon zurückgeblieben sein können, aber wenn es ihm gelang hochzukommen, hatte er vielleicht eine Chance.
    Ein schwerer Stiefel wurde ihm zwischen die Schulterblätter gepresst. Der Mann trat zu und setzte Chris den kalten Pistolenlauf in den Nacken. »Bist du bewaffnet?«
    »Ja.« Seine Stimmbänder fühlten sich wie zusammengewachsen an, und er versuchte sich zu erinnern, wann er zuletzt gesprochen hatte. Vor Wochen. Vielleicht vor Monaten. Nicht einmal mit sich selbst, wie man es doch häufig tat, um nicht den Verstand zu verlieren.
    Der Mann ächzte leise, als er sich hinhockte und mit groben, zupackenden Bewegungen eine rasche Durchsuchung begann.
    »Ich bin nur auf der Durchreise«, sagte Chris, als die Hand des Mannes sich der Beretta näherte.
    »Dann wird dich niemand vermissen.«
    »Stimmt wohl.«
    »Warum lächelst du dann?«
    Diesen Moment nutzte Chris aus, um zuzuschlagen. Er schwang den Ellenbogen nach oben und traf den Mann an der Innenseite des Handgelenks. Die Pistole polterte auf den Felsboden. Chris wirbelte herum, riss an dem Stiefel, der bis eben noch seine Schultern niedergedrückt hatte, und verdrehte das Bein. Der Mann stürzte schwer auf den Rücken, umklammerte sein zuckendes Handgelenk und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, versuchte aber dennoch, mit dem freien Fuß zuzutreten. Sie rangen im Staub miteinander, ächzten und schlugen aufeinander ein, bis Chris sich auf die Knie aufrichtete.
    Er zog die Beretta, entsicherte sie und zielte auf den Kopf seines Gegners. »Weil ich nichts zu verlieren habe.«
    Während er den anderen Mann niederstarrte, wurde Chris bewusst, was für ein Glückspilz er war. Er hatte schon Mason für einen hünenhaften Mann gehalten, aber dieser Kerl hier war ein Riese – hochgewachsen und muskulös. Wenn die Laster da unten auf der Schnellstraße ihm geradewegs gegen die Brust gefahren wären, hätte er wohl noch nicht einmal gezuckt.
    Chris zielte auf den kahlen Kopf, auf dessen dunkler Haut sich Schweißperlen bildeten. Pistolen waren etwas ganz Wunderbares, um einen Vorteil zu gewinnen.
    »Töte mich nicht«, sagte der Mann.
    »Dann zwing mich nicht dazu. Wie heißt du?«
    »Man nennt mich Brick.«
    Chris wich langsam zur Seite, bis er Bricks fallen gelassene Pistole an sich nehmen konnte, einen uralten 45er Colt. »Leg all deine Waffen auf den Boden. Ganz langsam.«
    Ein Schlagring, ein ausklappbarer Schlagstock, eine handflächengroße 22er und ein tückisches Bowiemesser landeten nacheinander auf dem Boden. Chris verstaute sie in seinem Tornister, ohne seinen Gefangenen auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Er wollte nicht, dass diese Waffen gegen ihn zum Einsatz kamen, falls Brick wieder die Oberhand gewann, aber sie einfach mit einem Tritt von der Klippe zu befördern wäre eine unvorstellbare Verschwendung gewesen.
    »Auf den Bauch«, sagte Chris. »Arme und Beine ausbreiten.«
    Bricks Zähnefletschen verriet, dass er nicht gern Befehle von Fremden entgegennahm. Aber als

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