Die letzte Zuflucht: Roman (German Edition)
gesagt, der willens war, für ihre Stadt zu kämpfen. Sie trugen alle ihre Tätowierung auf der Haut. Aber diesmal durchlief sie ein ungewohnter Freudenschauer, der anders als alles war, was sie bisher erlebt hatte. Nach dem Ausdruck zu urteilen, der kurz über Chris’ Gesicht huschte, empfand er es auch so. Seine Lippen öffneten sich, und sie erinnerte sich unwillkürlich daran, wie süß sein Kuss geschmeckt hatte.
»Nachdem du nun deinen Eid geleistet hast, hast du das Recht, Waffen für Valle de Bravo zu tragen. Im Gegenzug für deine Loyalität überreiche ich dir ein Geschenk.«
Chris legte den Kopf schief. Er kniete noch immer, wirkte aber ganz und gar nicht demütig. Die Wahrheit sprach aus der Art, wie er ihren Blick erwiderte: herausfordernd, trotz seiner Bittstellerhaltung. Auf Rosas Wink hin kam er auf die Beine, wie die anderen Männer.
»Diese Klinge, die in unseren Feuern geschmiedet wurde, symbolisiert die Kraft und Ergebenheit deiner Bindung an dein neues Zuhause. Benutze sie nur, um das Tal zu verteidigen und unsere Feinde in die Flucht zu schlagen.« Rosa reichte Chris einen schönen Dolch, elegant geformt und mit scharfer Schneide – es war eine von Ex’ besten Arbeiten.
Die Schusswaffen überreichte sie ihm weniger förmlich. Sie waren natürlich nicht in der Stadt hergestellt worden, erfüllten aber auch ihren Zweck. Chris trug jetzt Waffen für Valle. Er gehörte dazu.
Aber das war noch nicht alles. Er blickte so verunsichert drein wie ein Kind am Weihnachtsmorgen, das aus Armut gelernt hat, nichts zu erwarten, und verknotete die Finger, als sei er sich nicht sicher, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Womöglich rührte die Zeremonie ihn mehr, als er es im Voraus erwartet hatte. Der Gedanke gefiel Rosa. Vielleicht – nur vielleicht! – war dies alles nicht nur ein berechnender Schach zug, sondern bedeutete auch ihm wirklich etwas. Das schenkte ihr Hoffnung, dass er nicht so gebrochen war, wie sie zu Anfang geglaubt hatte, und dass vielleicht noch mehr in ihm steckte als Salz und Verbitterung.
»Ein letztes Geschenk«, sagte sie. »Im Gegenzug schwören wir, für dich zu sorgen, Christian Welsh, und deinen Körper und deine Seele zu nähren. Zum Unterpfand dieses Versprechens schenke ich dir das Brot des Lebens.« Sie reichte ihm einen Korb mit braunem Buchweizenbrot, einem halben Kanten Ziegenkäse und Agavenwein. Mit den Augen sagte sie ihm, dass da noch mehr war, etwas, das sie noch nie einem anderen Bravo geschenkt hatte.
Rosa wusste nicht, ob er ihre stumme Botschaft verstand, aber seine Stimme war belegt, als er antwortete: »Danke.«
Die übrigen Bravos waren im Moment zu neugierig auf die fremden Frauen, als dass Falcos angekratzter Stolz sie sehr gekümmert hätte, und so bedrängten sie nach dem Ende des Rituals Ingrid und Viv, die sich aber mehr als gut gegen sie durchsetzen konnten. Das Gewehr, das Viv trug, diente nicht nur der Zierde. Wenn Rosa sowohl Jungfrau als auch Hure symbolisierte, dann war Viv eine jüngere Version der weisen Alten. Die Männer respektierten sie instinktiv. Falco schlich sich knurrend davon, weil er keinen Vorwand fand, noch länger zu bleiben. Es gehörte nicht zu seinen Pflichten zu bezeugen, wie jemand gezeichnet wurde.
»Das war es auch schon fast«, sagte sie zu Chris, nachdem alle anderen gegangen waren.
»Was noch?«
»Die Tätowierung.« Sie ging voran zu Ex’ Werkstatt und achtete gut darauf, den Saum ihrer weißen Robe nicht im Staub schleifen zu lassen.
»Darf ich mir aussuchen, wohin ich sie bekomme?«
Sie nickte. »Ich schreibe niemandem vor, wo er sie trägt. Es ist dein Körper.«
Sein Gesichtsausdruck wurde weit eindringlicher. »Aber wenn er dir gehören würde, wo hättest du sie dann gern?«
Die Frage hatte noch andere Bedeutungen, und in Reaktion auf die Glut in seinem Blick erschauerte sie. »Auf deinem Rücken.«
»Warum?«
Es war niemand außer Chris da, um dieses beispiel lose Eingeständnis zu hören. »Weil er schön ist. Ich würde gern mein Zeichen darauf sehen.«
Auch nur daran zu denken ließ sie ein wenig rot werden. Er hatte schöne Haut, sonnengebräunt und glatt, und schlanke Muskeln. Wenn er sich bewegte, strafften sie sich zu einem anmutigen Bild raubtierhafter Kraft. Das hatte ihr bisher nie an einem Mann gefallen, da ihrer Erfahrung nach starke Männer dazu neigten, körperlich Schwächere zu misshandeln. Jetzt fragte sie sich, ob es möglich war, dass ein Mann seine Kraft nutzen konnte,
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